Oberlandesgericht Dresden Urteil vom 15.11.2016 4 U 507/16
Hintergrund
Die Parteien streiten über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers sowie einer fehlerhaften Behandlungsaufklärung seitens der Beklagten.
Die 1970 geborene Klägerin wurde im Juli 2008 wegen anhaltender Schmerzen bei der Beklagten vorstellig. Der behandelnde Arzt empfahl eine operative Versteifung des rechten unteren Sprunggelenkes und führte ein „Orientierungsgespräch“ durch. Mehr als sechs Monate später, im Februar 2009, wurde die Klägerin dann operativ ohne vorherige erneute Aufklärung durch die Beklagte behandelt.
Das Landgericht Dresden hat das Begehren der Klägerin mit Urteil vom 04.03.2016 abgewiesen. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Beklagte zu einem Schmerzensgeld von 35.000,00 Euro zu verurteilen, da dieses zu Unrecht eine ordnungsgemäße Aufklärung der Klägerin angenommen habe. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet.
Gründe
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld iHv 8.000,00 € sowie ein Anspruch auf Feststellung der Erstattungsfähigkeit sämtlicher weiterer zukünftiger materieller Schäden zu gemäß §§ 280, 278, 253, 823 Abs. 1, 831 BGB gegen die Beklagte zu.
Ein Behandlungsfehler liege nicht vor, zumal die durch die Beklagte durchgeführte Operation indiziert gewesen sei. Ein gegenteiliger Beweis habe die Klägerin nicht erbringen können.
Der Beklagten sei indes der Nachweis für eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht gelungen. Dem Zweck dem Patienten eine Vorstellung von der vorgesehenen Operation und den konkret damit verbundenen Risiken zu verschaffen werde das sechs Monate zurückliegende Orientierungsgespräch nicht gerecht. In Anbetracht eines derartigen zeitlichen Abstandes sei nicht mehr davon auszugehen, dass dem Patienten die Vor- und Nachteile sowie die Risiken eines Eingriffes noch gegenwärtig seien. Ein solches Orientierungsgespräch stelle also unabhängig von seinem Inhalt keine ausreichende Aufklärung dar.
Die Beweisanforderungen an die geschuldete Aufklärung dürften zwar nicht unbillig und übertrieben sein. So stelle ein bei den Behandlungsunterlagen befindlicher Aufklärungsbogen – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht – zugleich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgespräches dar. Dieser müsse jedoch einen Bezug zu der konkret durchzuführenden Operation haben, was vorliegend nicht der Fall sei. Allgemeine Erklärungen, die keine bestimmten Risiken benennen und damit nichtssagend seien, entbehren jedoch jeglicher Indizwirkung für ein umfassendes Aufklärungsgespräch, auf deren Grundlage den Angaben des vernommenen Arztes im Allgemeinen Glauben zu schenken wäre.
Das Gespräch am Vorabend der Operation mit der Klägerin könne auch nicht als ordnungsgemäße Aufklärung gewertet werden. Dem Patienten müsse eine angemessene Überlegungsfrist für die Willensbildung bleiben, um das Für und Wider der Behandlungsmaßnahme abzuwägen.
Bewertung
Das Urteil des Oberlandesgerichts überzeugt. Es mahnt die Ärzte an hinsichtlich der Aufklärungen einen gewissen Sorgfaltsmaßstab einzuhalten, um das Selbstbestimmungsrecht der Patienten zu schützen. Diese wären ansonsten schutzlos gestellt, vor Maßnahmen deren Risiken sie gar nicht einschätzen können. Dies zeigt auch der Entscheidungskonflikt der Klägerin im vorliegenden Fall, welche bei Kenntnis des Risikos, dass sich ihr Zustand nicht bessern, sondern noch verschlimmern könne, der Operation nicht zugestimmt hätte. Aufgrund des Sonderwissens der behandelnden Ärzte müsse ein sorgfältiges und sicheres Entgegenkommen in Form des Aufklärungsgespräches auf die Patienten erwartet werden können.