Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 09.01.2018 – 26 U 21/17
Hintergrund
Nach der Entdeckung eines unklaren Herdbefundes in der linken Brust der Klägerin im Mai 2009 riet ihr die beklagte Ärztin zu 2 zu einer Abklärung des betroffenen Gewebes im Wege der durch eine offene Biopsie durchgeführten Exzision. Die Klägerin war mit beschriebener Vorgehensweise aufgrund vergangener Behandlungen vertraut und einverstanden, sodass der Eingriff zügig im Hause der Beklagten zu 1 – der Trägerin des Krankenhauses – vollzogen werden konnte. Im Folgejahr wurde erneut ein Herdbefund in der linken Brust der Klägerin entdeckt. Eine Stanzbiopsie ergab daraufhin, dass es sich um ein regressiv verändertes Papillom handelte. Die Klägerin ließ den Knoten 2011 in einem anderen Krankenhaus entfernen. In der Folge kam es zu einer Entzündung und einer erheblichen Wundheilungsstörung.
Die Klägerin wirft der Beklagten einen Behandlungs- sowie einen Aufklärungsfehler vor. Sie sei nicht über die alternative Vorgehensweise einer Abklärung mittels einer Stanzbiopsie aufgeklärt worden. Erst aufgrund der fehlerhaften Behandlung durch die Beklagte seien die Folgebehandlungen erst notwendig gewesen. Sie verlangte daher von den Beklagten Schadensersatz, u.a. Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 €. Das LG hat die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 8.000 € verurteilt, weil die Klägerin über die Möglichkeit einer Stanzbiopsie als echter Behandlungsalternative nicht aufgeklärt worden sei. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagte hatte vor dem OLG Erfolg. Dieses wies die Klage insgesamt ab.
Gründe
Das OLG Hamm kam aus nachfolgenden Gründen zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 611, 278, 280 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB sowie gem. §§ 823 Abs. 1, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte hat.
Ein schadensursächlicher Behandlungsfehler ist den Beklagten im Rahmen der im Mai 2009 durchgeführten offenen Biopsie nicht vorzuwerfen. Die gewählte Methode der offenen Biopsie ist bei der Größe des Tastbefundes medizinisch vertretbar gewesen. Soweit im Rahmen des Eingriffs der kleine gutartige Befund operativ verfehlt worden ist, kommt dies auch bei größtmöglicher Sorgfalt in bis zu 5 % aller Fälle vor und sei daher nicht als ärztlicher Fehler zu bewerten. Es hat keine negativen Folgen auf den weiteren Behandlungsverlauf gegeben. Das Papillom hätte in jedem Fall in einer Zweitoperation entfernt werden müssen.
Zudem liegt kein Aufklärungsfehler vor. Die Klägerin ist nicht unzureichend über die bestehende Behandlungsmethode der Stanzbiopsie aufgeklärt worden. Die Stanzbiopsie ist zwar eine echte Behandlungsalternative zu der gewählten offenen Biopsie, da die beiden Methoden zur Überprüfung des Herdbefundes gleichermaßen indizierte und übliche Standardmethoden sind, die mit wesentlich unterschiedlichen Belastungen und Erfolgschancen verbunden gewesen sind. In Anbetracht der Größe des Befundes und der vielen Voroperationen im Bereich der Brust der Klägerin wäre die Stanzbiopsie jedoch hoch aufwendig und schwierig gewesen. Die offene Biopsie dagegen hat daher die größere Sicherheit geboten und ist im Idealfall zugleich ein therapeutischer Eingriff. Dafür birgt er Risiken eines invasiven Eingriffs.
Bewertung
Man bewegt sich daher im Grenzbereich der Medizin, bei dem die Auswahl der Methode allein im Ermessen des Arztes gestellt ist. Daher ist der der Klägerin erteilte Rat nicht zu beanstanden. Zudem ist die Aufklärung nicht zu beanstanden, da der Klägerin im Streitfall aufgrund ihrer Vorerfahrung die Möglichkeit einer Stanzbiopsie bewusst gewesen ist und sie im Wissen um die Alternative dem ärztlichen Rat zur Vornahme einer offenen Biopsie aufgrund von Vertrauen in die Klinik gefolgt ist.
Zur Abklärung eines unklaren Herdbefundes in der Brust einer Patientin darf ein behandelnder Arzt also zu einer Exzision mittels einer offenen Biopsie raten, wenn diese gegenüber einer ebenfalls in Betracht kommenden Stanzbiopsie die größere diagnostische Sicherheit bietet und zugleich als Therapie in Betracht kommt. Die nach einer solchen ärztlichen Aufklärung erteilte Einwilligung der Patientin ist wirksam und rechtfertigt den ärztlichen Eingriff.