Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.01.2017 – 8 U 119/15

Hintergrund

Die Parteien streiten über das Vorliegen eines Behandlungsfehlers im Zusammenhang mit dem Tod der Ehefrau des Klägers und die genauen Umstände, unter denen diese das Krankenhaus verlassen hat.

Der Kläger hatte sich aufgrund von Schmerzen im Hals der verstorbenen Ehefrau in das Krankenhaus einer der Beklagten zunächst in den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst begeben. Der Bereitschaftsarzt stufte nach körperlicher Untersuchung das EKG und den Blutdruck als unauffällig ein. Trotz dessen begab sich der Kläger mit seiner Ehefrau in die Kardiologie. Der dort tätige Kardiologe bot der Ehefrau ein Bett auf der Station und weitere Überlegungszeit an, welche diese nicht wahrnahm. Etwaige Informationen oder Empfehlung zu möglichen Risiken einer Ablehnung einer stationären Aufnahme gab der Kardiologe jedoch nicht. Bevor dieser Kläger und Ehefrau nochmals aufsuchen konnte, waren diese samt EKG und Einweisung nach Hause gefahren, wo die Ehefrau sodann verstarb.

Der Kläger machte erstinstanzlich gelten, dass durch den Einsatz einer Sofortmaßnahme, der Vergabe von Marcumar mit einem Tropf, das Leben seiner Ehefrau noch hätte gerettet werden können.

Der Kläger begehrte im Wege der Gesamtrechtsfolge gem. § 1922 Abs.1 BGB ein Schmerzensgeld, Ersatz des ihm angeblich entstandenen Unterhaltsschadens für die Zeit ab dem Tod seiner Ehefrau sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwalts-kosten, was das OLG Frankfurt als Berufsinstanz jedoch abgelehnt hat.

Gründe

Ein Arzt müsse nicht jede Minute des Aufenthaltes eines Patienten in einer Klinik damit rechnen, dass sich dieser plötzlich unerwartet und absprachewidrig entferne. Daher ergebe sich auch nicht die Pflicht unmittelbar zu Beginn des ersten Arzt-Patienten-Gespräches darauf hinweisen, dass bei einem absprache-widrigen Entfernen des Patienten aus der Klinik eine lebensbedrohliche Situation entstehen könne. Somit könne ihm in einem derartigen Fall keine Aufklärungspflicht-verletzung (hier in Form des Unterlassens der Sicherungsaufklärung) vorgeworfen werden.

Auf die Frage der Dokumentation komme es nicht mehr an. Die Ärzte hätten unter den geschilderten außergewöhnlichen Umständen des Falles keine Behandlungsdokumentation anlegen müssen, da das unangekündigte und nicht abgesprochene Entfernen aus der Klinik nur dahingehend zu verstehen war, dass keine Behandlung in der Klinik mehr gewünscht sei.

Bewertung

Das Urteil des Oberlandesgerichts überzeugt. Eine dauerhafte Überwachung der Patienten würde dem Arzt ein viel zu hohes Haftungsrisiko aufbürden, was die Ausführung seiner Tätigkeit deutlich erschweren oder gar unmöglich machen würde. Schließlich kann ein Arzt nicht für jedwede eigenwillige Entscheidung des Patienten verantwortlich gemacht werden, da diese in den Bereich der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung fallen.