BGH, Beschluss vom 8. November 2016 – VI ZR 512/15

Hintergrund

Die Klägerin ließ sich im November 2011 Krampfadern im linken Bein operativ bei der Beklagten, einem Krankenhaus, entfernen. In der Folge litt sie unter einer Fußheberschwäche und einer Gefühlsstörung. Diese wurden durch eine Nervenschädigung verursacht. Sie begehrte materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung durch die Ärzte der Beklagten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen wendete sich die Klägerin, aufgrund der Nichtzulassung der Revision, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof. Das Beschwerdeverfahren führte zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Gründe

Streitig war der genaue Vorgang der Nervenschädigung, bzw. die Art der Nervenschädigung. Sowohl Landgericht als auch Berufungsgericht griffen auf die Sachverständigengutachten zurück, die eine vollständige Durchtrennung aufgrund des postoperativen Gesundheitsverlaufs ausschlossen. Hierin hätte ein Behandlungsfehler gelegen. Der Sachverständige führte aus, dass von einer bloßen Druckschädigung ausgegangen werden könne, die keinen Behandlungsfehler darstelle und vielmehr ein typisches Operationsrisiko sei. Auch der Sachverständige der Klägerin hatte mit Rückgriff auf die postoperative gesundheitliche Entwicklung der Klägerin eine vollständige Nervendurchtrennung ausgeschlossen. Auch hierauf stützte sich dann das Berufungsgericht.

Jedoch stellte diese Beurteilung durch beide Instanzen nach Auffassung des Bundesgerichtshofes eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf die Gewährung rechtlichen Gehörs da. Denn, und dies war nach Auffassung des Gerichts rechtsfehlerhaft, wurde die Möglichkeit einer teilweisen Durchtrennung von Nerven trotz mehrmaligen Vortragens der Klägerin in beiden Instanzen außer Acht gelassen. Eine solche Behandlung wäre auch behandlungsfehlerhaft gewesen. Dem kam noch hinzu, dass der gerichtliche Sachverständige den späteren, postoperativen neurologischen Befund der Klägerin nicht kannte, da er hierfür als Gefäßchirurg nicht zuständig war und  das Berufungsgericht seine Entscheidung dennoch auf seine Ausführungen stützte.

Grundsätzlich führte der Bundesgerichtshof zu seiner rechtlichen Fundierung der Sache aus, dass ein Gericht nicht zur Befassung mit allen durch die Parteien vorgetragenen Tatsachen verpflichtet ist, es griff hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück. Sogleich die Parteien aber von einer hinreichenden Abwägung aller Argumente ausgehen können.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liege sodann aber vor, wenn sich aus unterschiedlichen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder nicht mit in die Abwägung mit einbezogen hat, so das Gericht. Eben dies war nach Auffassung des Bundesgerichtshofes im streitigen Arzthaftungsprozess  der Fall.

Bewertung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist als richtig zu bewerten. Eindeutig wurden durch die vormaligen Instanzen offensichtliche Tatsachen verkannt und bei der Beurteilung außer Acht gelassen. Für die Praxis sind die Auswirkungen nicht außerordentlich. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hatte bereits ausstrahlende Wirkung. Aber es gebietet sich, im Tatsachenvortrag noch eindringlicher auf eindeutige Tatsachen Rückgriff zu nehmen und die Beurteilungen von Sachverständigen hinreichend für den Vortrag zu verwenden bzw. hier Klarheit herzustellen. Dies obliegt dann im Prozess oftmals den Bevollmächtigten.