OLG München Urteil vom 26.10.2017 Az. 23 U 1036/17

Hintergrund

Der Kläger begehrt die die Abrechnung von Provisionen, die Erteilung eines Buchauszuges, die sich jeweils hieraus ergebenden Provisionen sowie einen Handelsvertreterausgleich, zudem fordert er die Zahlung von 62.680,20 € aus einem ungekündigten Handelsvertreterverhältnis mit der Beklagten.

Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 13.01.2017, berichtigt durch Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 26.10.2017, Az. 23 U 1036/17, dem Antrag des Klägers auf Erteilung eines Buchauszuges seit dem 01.01.2011 vollumfänglich stattgegeben

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges und beantragt das Urteil des Landgerichts Landshut dahingehend abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, an den Antragsteller einen Buchauszug über sämtliche Geschäfte, die zwischen der Beklagten und den Kunden seit dem 01.01.2011 zustande gekommen sind, sowie angebahnt oder ausgeführt wurden, hätten ausgeführt werden müssen, zu erteilen

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und das festgestellt wird, dass das zwischen den Parteien abgeschlossene Handelsvertreterverhältnis unverändert derzeit fortbesteht.

Gründe

Eine Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses durch den Kläger ist nicht erfolgt.

In der E-Mail des Klägers an den Geschäftsführer vom 15.11.2011, in welcher dieser mitteilte, das aktive Tagesgeschäft einzustellen, aber seine Kunden und die akquirierten Kontakte weiter bearbeiten zu wollen und zudem den Geschäftsführer aufforderte mitzuteilen, ob und in welcher Form er noch mit ihm zusammenarbeiten wolle, liege keine Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses.

Eine Kündigung müsse als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgelegt werden. Dabei dürfe der Empfänger der Erklärung allerdings nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen. Entscheidend sei vielmehr der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden. Die E-Mail ließe sich unter Anwendung dieser Grundsätze nicht als Kündigungserklärung des Handelsvertretervertrages auslegen.

Aus der Kündigungserklärung müsse der Wille, den Vertrag spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu beenden eindeutig und unmissverständlich hervortreten. Eine derartige eindeutige Erklärung sowie die einseitige Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses ließe sich der E-Mail vom 15.11.2011 nicht entnehmen. Aus dem Gesamtkontext der E-Mail komme, der eindeutige Wille den Handelsvertretervertrag insgesamt nicht zu wollen, nicht zum Ausdruck. In der Aussage, keine Neuaquise mehr durchführen zu wollen, läge vielmehr der Vorschlag für die Vereinbarung einer Vertragsänderung und ggf. die Ankündigung einer Vertragsverletzung dar in der Absicht der weiteren vertraglichen Beziehung der Parteien. Dies folge zuletzt auch schon aus dem Betreff der genannten E-Mail „Vorab-Info, alles Weitere in Kürze“.

Zwar könne ein Handelsvertretervertrag auch formlos oder konkludent erfolgen, jedoch sei dem Schreiben ein solcher Erklärungswert nicht zu entnehmen. Zudem könne aus der bloßen Untätigkeit des Handelsvertreters nicht auf eine Kündigung des Vertrages geschlossen werden.  Insofern sei auch nicht maßgeblich, ob der Kläger nach dem 15.11.2011 Mitteilungen nach § 86 Abs. 2 HGB vorgenommen habe.

Auch seitens der Beklagten sei keine Kündigung des Vertragsverhältnisses erfolgt.

Die Berufung der Beklagten sei schließlich in der Sache unbegründet, da dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges seit dem 01.01.2011 zustehe, § 87c Abs. 2 HGB. Das Verlangen des Klägers nach Erteilung eines Buchauszugs sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, zumal der Kläger darin nur sein gesetzlich eingeräumten Recht gemäß § 87c Abs. 2 HGB geltend macht.

Bewertung

Das Oberlandesgericht München wendet zur Lösung des Falls Grundprinzipien des BGBs an und führt den Rechtsstreit unter Auslegung der streitigen Erklärungen und Einbezug der handelsvertreterrechtlichen Besonderheiten zu einem beiderseits billigen Ergebnis.