OLG Koblenz, Urteil vom 18.03.2016 – 1 U 832/15

Hintergrund

Es lag in einer Familie der Verdacht einer Kindesmisshandlung der beiden Kinder im Alter von 7 und 18 Monaten vor. Das Jugendamt ließ durch einen entsprechenden Sachverständigen den Verdacht prüfen, der diesen bestätigte.

Unter Bezug auf das Gutachten konnte das Jugendamt erfolgreich eine einstweilige Anordnung auf Übertragung des Aufenthaltsrechts beider Kinder durchsetzen, sodass die Kinder in der Folgezeit in Pflegefamilien untergebracht wurden.

In einem späteren Gutachten stellte sich jedoch heraus, dass die vermeintlichen Anzeichen einer Misshandlung auf eine bei beiden Kindern vorliegende Erbkrankheit zurückzuführen sind.

Die Kläger hatten erstinstanzlich vor dem Landgericht Mainz Schmerzensgeldansprüche sowohl gegenüber der Uniklinik als auch gegenüber dem Sachverständigen als Beklagten wegen des fehlerhaften Gutachtens geltend gemacht. Das Landgericht Mainz hatte den Anspruch gegen den Sachverständigen dem Grunde nach zugesprochen, da eine Haftung für das grob fehlerhafte und wissenschaftlichen Standards nicht entsprechende Gutachten vorliege. Die Klage gegen die Uniklinik, an der der Sachverständige tätig war, wurde hingegen abgewiesen, da die Uniklinik selbst nicht durch das Jugendamt beauftrag worden sei.

Gegen das Urteil hatte der Sachverständige Berufung eingelegt, mit der Begründung, nicht persönlich zu haften für ein Gutachten, welches durch das Jugendamt in Auftrag gegeben worden sei.

Gründe

Das OLG Koblenz gab dem Sachverständigen Recht.

Zwar habe er ein grob fehlerhaftes und unter Außerachtlassung gutachterlicher Sorgfaltspflichten erstelltes Gutachten abgegeben, indem er vorliegende gesundheitliche Gegebenheiten der Kinder zum Teil nicht oder falsch berücksichtigt habe, sodass diese auf Grundlage der Gutachtens in Pflegefamilien betreut werden mussten, wodurch dem Kläger ein Schaden entstanden sei, jedoch hafte der Sachverständige hierfür nicht persönlich, da er vom Jugendamt beauftrag worden sei. Das Jugendamt als Behörde habe sich seiner Dienste insoweit bedient, sodass diesem die Fehleinschätzung zugerechnet werden muss. Dies vor allem mit Blick darauf, dass das Jugendamt als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Wächterfunktion über das Kindswohl ausübt und daher auch eigene Bewertungen anheim stellen muss.

Bewertung:

Die Entscheidung des OLG Koblenz ist im Ergebnis zutreffend. Zwar muss festgehalten werden, dass einen Sachverständiger aufgrund seiner besonderen Funktion und der Reichweite seiner getroffenen Aussage auch eine besondere Haftung trifft, von der er sich nicht einfach freizeichnen lassen kann, denn ein Sachverständiger wird gerade dann hinzugezogen, wenn besonders Fachwissen gefragt ist, welches dann auch verlässlich verwandt werden sollte.

Jedoch gilt es auch bei Körperschaften des öffentlichen Rechts, dass diese ihre Verantwortung nicht einfach verlagern können. So haben sie nicht nur ein eigenes Prüfungsrecht, sondern auch eine eigene Prüfungspflicht. Wenn sie dieser nicht nachkommen, dann ist eine Haftung gegeben.