Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2017 – XII ZB 550/16

Hintergrund

Die Betroffene leidet unter einer chronischen, residualen, paranoiden Schizophrenie mit akustischen und optischen Halluzinationen und ausgeprägtem Hospitalismus. Seit Jahren war eine Betreuung für die Betroffene eingerichtet. Die Schwester der Betroffenen, Beteiligte zu 1, war zunächst Betreuerin der Betroffenen. Ende 2004 wurde sie entlassen. Sie hatte unbegründet ohne perspektivischen Blick die Unterbringung der Betroffenen in einer speziellen Einrichtung abgelehnt. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde war erfolglos. Sodann wurde die Tochter der Schwester der Betroffenen, die Nichte, Beteiligte zu 3, als Betreuerin und die Beteiligte zu 2 als Mitbetreuerin bestellt. Die beiden Betreuer hatten bestimmte Zuständigkeiten zur Vertretung der Betroffenen. Aus Gründen des Alters beantragte die Beteiligte zu 2 im April 2016 die Entlassung als Betreuerin und schlug eine Nachfolgerin vor. Die Beteiligte zu 3 beantragte das alleinige Betreuungsrecht. Die Beteiligte zu 1, Mutter der Beteiligten zu 3, trat diesem Vorhaben ihrer Tochter mit der Auffassung entgegen, dass sie nicht zur alleinigen Betreuung fähig sei. Die Beteiligte zu 1 beantragte zugleich die Hinzuziehung zum Verfahren, Verfahrenskostenhilfe und die Einsetzung als Betreuerin für ihre Schwester, die Betroffene. Das Landgericht lehnte die Verfahrenskostenhilfe und ein subjektives Recht außerhalb des Eltern-Kind-Verhältnisses der Beteiligten zu 1 auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Betreuerauswahl ab. Der Bundesgerichtshof trat dem aufgrund der Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen vom 22. November 2016 im Hinblick auf das subjektive Recht entgegen, lehnte ein Recht aber aus anderen Gründen ab. Im Ergebnis hielten die Erwägungen des Landgerichts der Überprüfung durch den Bundesgerichtshof stand.

Gründe

Der Bundesgerichtshof ging mit der Beurteilung des Landgerichts mit, dass für eine rein fremdnützige Verfahrensbeteiligung eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht möglich ist. Der Bundesgerichtshof trat jedoch der Beurteilung des Landgerichts entgegen, dass ein subjektives Recht auf Bestellung zum Betreuer nur im Eltern-Kind-Verhältnis besteht, aber nicht bei erwachsenen Geschwistern. Nach Auffassung des Landgerichts unterliege die Beziehung von Geschwistern untereinander nicht demselben verfassungsrechtlichen Schutz. Wie der Bundesgerichtshof ausführt, schließe der Schutz des Art. 6 I GG familiäre Bindungen zwischen nahen Verwandten mit ein. „Insbesondere sei das Recht umfasst, bei der Entscheidung über die Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden“ (vgl. hierzu u.a. BVerfG, v. 24.06.2014, 1 BvR 2926/13, BVerfGE 2015, S. 382). Jedoch begründe dies kein Beschwerderecht in Betreuungssachen. Die Auswahl eines Betreuers greife nicht in die Sphäre des Betreuers ein. Die Betreuung werde ausschließlich im Sinne des Betroffenen angeordnet. Eine Beschwerdebefugnis bestehe demnach bei Aufhebung einer Betreuung nicht aus eigenen Rechten heraus (so bereits: BGH, v. 04.12.2013, XII ZB 333/13, FamRZ 2014, S. 470). Art. 6 I GG werde in § 1897 V BGB hinreichend Rechnung getragen, so der Bundesgerichtshof. Bei fehlendem Vorschlag eines Volljährigen zur Betreuerbestellung werde auf die familiären Bindungen und mögliche Auswirkungen durch die Einsetzung Rücksicht genommen. Angehörige können demnach am Verfahren beteiligt werden – im Interesse des Betroffenen. Eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sei demnach ausgeschlossen.

Bewertung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist dahingehend interessant, dass sie die ergangene Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch die eigene Rechtsprechung in Bezug auf die Rechte in Betreuungsverfahren und insbesondere den Schutz aus Art. 6 GG hervorhebt und ausarbeitet. In der Sache ist dem Bundesgerichtshof zuzustimmen, er setzt die ergangenen Anforderungen zielgenau um.