Der bereits am 16. März 2020 angekündigte Entwurf eines Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz wurde nunmehr veröffentlicht und soll zum Ende der 13. KW 2020 in Kraft treten. Die Bundesregierung beabsichtigt mit diesen vorübergehenden Regelungen zu verhindern, dass zahlreiche Unternehmen alleine aufgrund der Covid-19-Pandemie und den strengen Regelungen, die das GmbH-Gesetz an eine Insolvenzantragspflicht knüpft, in ein Insolvenzverfahren fallen.

Neben den Änderungen zur Insolvenzantragspflicht und der Haftung für verbotene Auszahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife sowie dem Schutz bestimmter Transaktionen vor einer Insolvenzanfechtung enthält das Gesetz auch Erleichterungen bei der sogenannten Corporate Governance von Aktiengesellschaften (hierunter fällt die Möglichkeit der Durchführung einer „virtuellen“ Hauptversammlung), Genossenschaften und Vereinen. Insbesondere geht es um den verstärkten Schutz von Schuldnern im Rahmen von Miet- und Darlehensverträgen sowie die Leistungsverweigerungsrechte für Verbraucher und Kleinstunternehmen, wenn diese alleine infolge der Covid-19-Pandemie nicht mehr leisten können oder ihnen die Leistung unzumutbar geworden ist. Ebenso enthält der Gesetzentwurf auch Änderungen zur Strafprozessordnung (StPO) in Bezug auf die Hauptverhandlung während der Dauer von Schutzmaßnahmen, wobei hierauf nicht näher eingegangen werden soll.

Vorübergehende Änderung der Insolvenzordnung

  • Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 ist der Regelfall. Sie greift allerdings dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht oder generell keine Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Es wird die Vermutungsregel aufgestellt, dass im Zeitraum ab 01.01.2020 die Insolvenzreife durch die Auswirkungen der Pandemie ausgelöst wurde. Von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind beide Insolvenztatbestände, nämlich Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung umfasst.
  • Auch die Insolvenzanträge von Gläubigern werden durch die Änderungen eingeschränkt. Für Gläubigeranträge, die innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes (voraussichtlich Ende der 13. KW 2020) gestellt werden, wird vorausgesetzt, dass der Insolvenzgrund bereits am 01. März 2020 vorlag.
  • Zahlungsverbote, nach denen Geschäftsführer für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich haften, sind nicht grundsätzlich aufgehoben. Liegen jedoch die Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor, werden auch die Zahlungsverbote gelockert. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf erfolgen, insbesondere Zahlungen, die der Aufrechterhaltung, der Wiederaufnahme oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes des Geschäftsbetriebes dienen, gelten dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers vereinbar und lösen keine Haftung aus.
  • Darüber hinaus wird die Insolvenzanfechtung weitgehend ausgeschlossen. Die bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite gelten als nicht gläubigerbenachteiligend und können nicht angefochten werden. Kreditgewährung und Besicherung sind so auch nicht als sittenwidrig anzusehen.
  • Kongruente Rechtshandlungen sind dann in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar, es sei denn, der Anfechtungsgegner wusste, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.
  • Auch die Rückführung von Gesellschafterdarlehen genießt den Schutz vor späterer Anfechtung. Die insoweit einschlägigen Bestimmungen der Insolvenzordnung finden in den Verfahren, die bis zum 30. September 2023 beantragt werden, keine Anwendung.

Änderungen im Zivilrecht

  • Durch das COVInsAG können Miet- und Pachtverhältnisse über Grundstücke oder Räume vom Vermieter nicht mehr gekündigt werden, soweit der Mieter im Zeitraum vom 01. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet und die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Die Kündigungssperre führt allerdings nicht zu einem Erlass der Mietschulden, sondern soll lediglich verhindern, dass Mieter ihre Privat- oder Geschäftsräume in Zeiten der Krise verlieren.
  • Im Bereich der Darlehensverträge mit Verbrauchern gilt, dass Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 01. April 20202 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von drei Monaten gestundet werden, wenn der Darlehensnehmer infolge der Covid-19-Pandemie Einnahmenausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers sind solange ausgeschlossen.

Änderungen im Gesellschaftsrecht

  • Das neue Gesetz beinhaltet Erleichterungen bei der Durchführung der Hauptversammlung von Aktiengesellschaften, KGaA und SE. Der Vorstand kann mit Zustimmung des Aufsichtsrats auch ohne Ermächtigung durch Satzung oder Geschäftsordnung Entscheidungen über die Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung im Wege elektronischer Kommunikation, die Stimmabgabe im Wege elektronischer Kommunikation und die Zulassung der Bild- und Tonübertragung treffen. Ebenso kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats entscheiden, dass eine virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird.
  • Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) können Gesellschafterbeschlüsse in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe gefasst werden.
  • Bei Wohnungseigentümergemeinschaften bleibt der zuletzt bestellte Verwalter bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt und der zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan geht bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

Bewertung

Die angekündigten Änderungen sollen den betroffene Unternehmen Zeit geben, um Sanierungslösungen zu finden. Sanierungsmaßnahmen müssen allerdings individuell erarbeitet werden, um nach dem 30. September 2020 Sanierungskonzepte zur Vermeidung von Insolvenzen oder wirtschaftlichen Schieflagen zu vermeiden.

Die Maßnahmen werden nicht verhindern können, dass der Bestand sämtlicher Unternehmen sichergestellt werden kann.

Rolf Haarmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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