OLG Hamm, Urteil vom 11.11.2016 – 26 U 111/15

Hintergrund

Die Klägerin, eine 57-jährige Krankenschwester, litt seit Jahren unter Rückenschmerzen. Diese traten überwiegend im Bereich der Lendenwirbelsäule auf. Das beklagte Krankenhaus untersuchte sie im Jahr 2008 und empfahl ihr eine Operation im Bereich der Halswirbelsäule. Bei dieser Behandlung sollte eine Bandscheibenprothese implantiert werden und die Versteifung mehrerer Wirbel erfolgen. Diese Operation ließ die Klägerin im März 2009 durchführen. Unmittelbar im Anschluss wurde die Klägerin zunehmend schwächer in aller vier Extremitäten. Es wurde eine Revisionsoperation durchgeführt, doch auch dadurch konnte das Schwächegefühl nicht aufgehalten werden. Mit der Zeit entwickelte sich daraus eine irreversible Querschnittslähmung unterhalb des 3. Halswirbels, weshalb die Klägerin nun seit der Operation auf einen Rollstuhl und fremde Hilfe angewiesen ist. In ihrer Klage auf Schadensersatz argumentiert die Klägerin, die Operation sei nicht angezeigt gewesen und außerdem fehlerhaft ausgeführt worden. Sie begehrte ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro. Das angerufene Landgericht holte ein fachorthopädisches Gutachten ein und gab der Klage auf dieser Grundlage statt. Das Beklagte Krankenhaus legte daraufhin Berufung bei dem Oberlandesgericht Hamm ein, diese blieb jedoch erfolglos.

Gründe

Der Senat hat Ansprüche der Klägerin aus §§ 611, 280, 278, 249, 253 Abs. 2 BGB bzw. §§ 823, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB bejaht. Zu diesem Ergebnis war schon die Vorinstanz in rechtlich zutreffender Weise gekommen.  Das Sachverständigengutachten hatte festgestellt, dass das Krankenhaus unvollständige Befunde erhoben hatte. Zur differenzialdiagnostischen Abklärung wäre eine MRT-Untersuchung erforderlich gewesen, die jedoch fehlerhaft unterblieben war. Weiterhin war die Operation nicht absolut indiziert, vielmehr hätte zuvor die Möglichkeit einer weiteren konservativen Behandlung mit der Klägerin besprochen werden müssen. Ferner war auch die gewählte Operationsmethode fehlerhaft. Nach medizinischen Grundsätzen verbietet sich eine Fusion in unmittelbarer Nähe zu der einzusetzenden Prothese. Gleiches gilt für eine Fusion über mehr als drei Wirbeltagen. Insgesamt war bereits die unterlassene Befunderhebung grob fehlerhaft. In Gesamtschau mit den anderen Fehlern ergibt sich also eine grob fehlerhafte Behandlung. Eine Entkräftigung der Kausalität durch die Beklagte ist unterblieben. Dadurch, dass die Klägerin derart schwerwiegende gesundheitliche Folgen erlitten hat, ist das Schmerzensgeld in der beantragten Höhe von 400.000 Euro gerechtfertigt.

Bewertung

Bei einer so schwerwiegenden Operation wie dieser HWS-Operation ist es dem Arzt zu raten, eine sehr umfassende Diagnostik zu betreiben. Vorliegend wurde die Klägerin zu schnell ohne eine solch deutliche Diagnostik der Operation unterzogen. Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ist also zu befürworten. Dadurch, dass die gebotene neurologische Untersuchung unterblieben ist, war die Operation nicht indiziert. Die Annahme eines groben Behandlungsfehlers ist also berechtigt. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.