Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 04.02.2015 – 1 U 27/13

Hintergrund

Die Klägerin ging gegen einen behandelnden Arzt als Erbin vor. Der Patient war verstorben.
Zuvor hatte er sich im Klinikum der Beklagten im Juli 2002 mehrfach operieren lassen. Bei der Erstoperation kam es zu einer massiven Blutung an einer Leberarterie. Die Klägerin behauptete, der behandelnde Arzt hätte durch intraoperative Cholangiographie und durch sofortige Korrektur reagieren müssen. Hierdurch wäre dem Erblasser ein Zweiteingriff und auch die daran anknüpfenden Folgen (Gallenfistel, Wundinfekt etc.) erspart worden.

Nach Abschluss der Krankenhausbehandlung ließ der Patient sich bis zu einem Stentverschluss (Stentthrombose) zehn Monate später nicht mehr im Krankenhaus behandeln, sondern ausschließlich von seinem Hausarzt.

Die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung hatte dem Patienten noch zu dessen Lebzeiten außergerichtlich 15.000,00 € zur Klaglosstellung gezahlt. Die Klägerin begehrte darüber hinaus die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 100.000,00 € sowie die Erstattung eines Haushaltsführungsschadens, Unterhaltsschäden, Pflege- und Betreuungskosten, Fahrtkosten sowie Krankenhausbehandlungskosten.

Das Landgericht hat die Klage in erster Instanz nach der Beweisaufnahme abgewiesen.

Gründe

Das Oberlandesgericht wies die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurück.
Zwar stellte es fest, dass dem beklagten Arzt vorzuwerfen sei, dass er es im Rahmen der Erstoperation unterlassen habe, den Durchfluss des Gallenganges mittels einer Röntgenkontrastmitteluntersuchung zu überprüfen, weitere Behandlungs- und Befunderhebungsfehler hätte die Klägerin jedoch nicht weiter nachweisen können. Ebenso konnte sie nicht den Zusammenhang zwischen dem nachgewiesenen Fehler und den behaupteten Folgebeeinträchtigungen schlüssig darlegen.

Bei der unterlassenen Röntgenkontrolluntersuchung während der Erstoperation handele es sich nach Auffassung des Landgerichts um einen Befunderhebungsfehler und nicht um einen Fehler im therapeutischen Bereich. Befunderhebungsfehler begründeten grundsätzlich keine Beweislastumkehr im Rahmen des Kausalzusammenhangs. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH hätte hierzu entweder – was nicht feststellbar war – ein grober Befunderhebungsfehler vorliegen müssen oder aber ein einfacher Befunderhebungsfehler, wenn sich bei der gebotenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft dargestellt hätte.

Die Erfüllung dieser Voraussetzungen nahm das OLG Saarbrücken an, sodass im vorliegenden Fall eigentlich eine Beweislastumkehr hätte eingreifen müssen.

Hierauf konnte sich die Klägerin jedoch nicht mit Erfolg berufen. Nach Auffassung des OLG, welches wiederrum auf die Rechtsprechung des BGH Bezug nahm, stellen Beweiserleichterungen nämlich keine Sanktion für ein besonders schweres Arztverschulden dar, sondern knüpfen daran an, dass die Aufklärung des Behandlungsgeschehens in besonderer Weise erschwert worden ist.

Die Kausalitätsvermutung muss daher entfallen, wenn der Patient durch sein Verhalten eine selbstständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt und dadurch in gleicherweise wie der Fehler dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehen nicht mehr aufgeklärt werden kann.

Im vorliegenden Fall hatte der Patient die gebotenen Kontrolltermine nicht wahrgenommen und dadurch den Heilungsverlauf erheblich gefährdet. Im Zeitraum von fast einem Jahr nahm der Patient keine Kontrolltermine wahr, weil er nicht mehr ins Krankenhaus wollte. Dieses Verhalten sei dem Patienten auch vorwerfbar, da das erforderliche Verständnis für die Notwendigkeit einer qualifizierten medizinischen Nachversorgung beim Patienten festgestellt werden konnte. Sowohl der Hausarzt als auch die Klägerin selbst hätten entsprechend auf den Patienten eingewirkt, damit er sich ins Krankenhaus begibt, um sich nachbetreuen zu lassen.

Bewertung

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken ist in jeder juristischen Hinsicht vollkommen überzeugend.

Unterlässt ein Patient eine gebotene Nachbehandlung, obgleich ihm deren Notwendigkeit bekannt war, und ruft das Unterlassen dieser Nachbehandlung weitere Komplikationen und Erkrankungen hervor, trägt der Patient in gleicher Weise wie der behandelnde Arzt zu seinen Gesundheitsschädigungen bei, sodass sein eigenes Fehlverhalten das des Arztes aufwiegt. Eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten scheidet daher aus. Im vorliegenden Fall hat sich somit nicht das Risiko der fehlerhaft unterlassenen Röntgenkontrastmitteldarstellung, sondern dasjenige der vom Patienten unterlassenen Nachbehandlung realisiert.