Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 14.04.2015 – 26 U 125/13

Hintergrund

Die 1963 geborene Klägerin litt an einem Darmtumor, der im Dezember 2009 auf der allgemeinchirurgischen Abteilung des beklagten Krankenhauses operativ behandelt wurde. Im Bereich der Einstichstelle eines während der Operation gesetzten Katheters erlitt die Klägerin einen Abszess, der sich entzündete. Der Abszess musste daraufhin in der neurochirurgischen Abteilung einer anderen Klinik, in die die Klägerin verlegt wurde, operativ behandelt werden. Dabei ergab sich ein MRSA-Befund. Vom beklagten Krankenhaus verlangte die Klägerin 30.000,00 € Schmerzensgeld, unter anderem mit der Begründung, der Katheter und die Einstichstelle seien nicht hygienisch einwandfrei gepflegt und versorgt worden. Dabei behauptete die Klägerin, während ihres Aufenthaltes im beklagten Krankenhaus sei es zu mindestens vier weiteren MRSA-Infektionen gekommen. Die Klägerin begehrte von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund ärztlicher Fehler und Organisationsmängel. Das Landgericht wies die Klage ab. Nach dem Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens konnte das Landgericht keine von dem beklagten Krankenhaus zu verantwortenden Behandlungsfehler feststellen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Gründe

Der Senat wies die Berufung mit folgender Begründung zurück:
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ein Hygienemangel nicht ausreichend nachgewiesen. Eine Umkehr der Beweislast unter dem Gesichtspunkt eines voll beherrschbaren Geschehens komme nicht in Betracht; denn nach den Angaben des Sachverständigen sei es allenfalls theoretisch denkbar, eine Infektion durch alle möglichen denkbaren Maßnahmen und den Einsatz von entsprechend vorhandenen Personal zu vermeiden, praktisch entspreche dies aber nicht dem Klinikalltag und der Lebenswirklichkeit. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der medizinische Standard in Deutschland weitergehender sei und es ermögliche, jegliche Art von Infektionen auszuschließen. Hinzu komme, dass nach Darstellung des Sachverständigen auch Patienten selbst Träger derartiger MRSA-Besiedlungen sein können. Insoweit habe er auch angegeben, dass ein Ausbruch von MRSA-Infektionen nicht von vornherein auf Hygienemängel schließen lasse. Entscheidend sei vielmehr der Einzelfall. Auch auf die Nachfrage des Landgerichts, die sich ersichtlich auf die Behauptung der Klägerin bezog, dass es um die Zeit ihres Aufenthaltes im Krankenhaus zu mindestens vier Infektionen gekommen sei, habe der Sachverständige nicht auf Mängel geschlossen. Bezogen auf weitere Fälle von MRSA-Infektionen könne für ein Hygienedefizit sprechen, wenn etwa bei zehn Patienten auf der Station zur gleichen Zeit eine solche Infektion auftrete.

Bewertung

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist zuzustimmen.
Immer häufiger sind Haftungsfragen im Zusammenhang mit Hygienemängeln Gegenstand verschiedener Rechtsprechungen.  Dabei geht es in den meisten Fällen um den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA). Infiziert sich der Kläger während eines Krankenhausaufenthaltes mit einem solchen Bakterium, gilt es festzustellen, wer für die Ansteckung verantwortlich ist und ob dem Kläger gegen die Behandlungsseite Ersatzansprüche zustehen. Maßgeblich für diese Feststellung ist der Ursprung der Infektion. Dieser bleibt aber oftmals unklar. Denn regelmäßig wird nicht auszuschließen sein, dass die Krankheitserreger bereits vor dem Klinikaufenthalt in den Organismus des Patienten gelangt sind.
Somit scheitern etwaige Klageverfahren häufig an der Ungewissheit der Herkunft der MRSA-Infektion, da der Krankenhausträger dafür grundsätzlich nur dann verantwortlich gemacht werden kann, wenn die Infektion aus einem von ihm beherrschbaren Bereich herrührt.