Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.07.2016 – 10 TaBV 367/16

Hintergrund

Die Arbeitgeberin erbringt mit mehr als 600 Arbeitnehmern u.a. Reinigungsdienstleistungen für andere Unternehmen. Der bei ihr gebildete Betriebsrat verlangte von ihr die Entfernung des in einem Objekt tätigen Vorarbeiters V aus dem Betrieb. Der Betriebsrat behauptete, V habe das Kundenunternehmen über den zeitlichen Umfang der erbrachten Arbeiten getäuscht. Zudem ergebe sich aus Beschwerden von drei ehemaligen Mitarbeitern, dass es auf Veranlassung von V zu einigen Arbeitszeitverstößen gekommen sei. Hierüber lägen Beschwerden weiterer Arbeitnehmer vor, die sich aber nicht trauen würden, namentlich in Erscheinung zu treten. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Anträge des Betriebsrates zurück. Das Landesarbeitsgericht ließ allerdings wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu.

Gründe

Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin nicht gem. § 104 BetrVG die Entfernung des V aus dem Betrieb verlangen. Dabei kann dahinstehen, ob die Vorwürfe des Betriebsrates gegenüber V zustimmen, denn hierdurch ist es auf jeden Fall nicht zu einer ernstlichen Störung des Betriebsfriedens gekommen. Was der Begriff des „Betriebsfriedens“ konkret bedeutet, ist bislang nicht abschließend geklärt. Am sachgerechtesten erscheint eine Orientierung an § 2 ArbSchG. Deshalb dürfte es im Rahmen des § 104 BetrVG erforderlich sein, dass durch das Verhalten eines Arbeitnehmers die physische oder die psychische Gesundheit der Belegschaft zumindest von Teilen davon betroffen ist. Das kann auch durch eine ungerechte (unbillige) Behandlung geschehen. Aber nicht jede unbillige Behandlung führt zugleich zu einer psychischen Belastung. Vielmehr hängt das von der konkreten Wirkung der unbilligen Behandlung auf die Belegschaft ab.

Ernstlich ist eine Störung, wenn sie in ihrer Intensität erheblich oder gravierend war. Des Weiteren setzt § 104 BetrVG voraus, dass die Störung des Betriebsfriedens noch andauert bzw. eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht nur der „Täter“-Handlung, sondern gerade der Störung des Betriebsfriedens besteht. Nach diesen Grundsätzen scheidet im Streitfall ein Anspruch auf Entfernung des V aus dem Betrieb schon deshalb aus, weil die drei Mitarbeiter, die sich über Arbeitszeitverletzungen beschwert haben, den Betrieb bereits verlassen haben. Es gibt keinen belastbaren Vortrag dafür, dass die behauptete Störung auch jetzt noch andauert bzw. sich absehbar wiederholen wird. Die Behauptung, dass sich weitere Arbeitnehmer beim Betriebsrat über V beschwert hätten, ist zu vage, da der Betriebsrat diese Arbeitnehmer nicht nur nicht namentlich benannt, sondern auch nicht konkret vorgetragen hat, welche Pflichtverletzungen V ihnen gegenüber begangen haben soll.

Bewertung

Nach § 104 BetrVG, dessen Handhabung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang kaum geklärt ist, kann der Betriebsrat die Entfernung eines störenden Arbeitnehmers aus dem Betrieb verlangen. Voraussetzung hierfür ist eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens. Insoweit muss die physische oder psychische Gesundheit der Belegschaft mindestens partiell davon dauerhaft gestört sein oder eine Wiederholungsgefahr einer solchen Störung unmittelbar bevorstehen.