Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 24.11.2016 – 10 Sa 284/16 u.a.
Hintergrund
Im Ausgangsverfahren geht es um eine Massenentlassung von Beschäftigten der Fluggastabfertigung. Die Kläger machten im Rahmen ihrer Kündigungsschutzklagen geltend, dass entgegen § 17 Abs. 2 KSchG keine hinreichende Beratung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat über Möglichkeiten, die Massenentlassung zu vermeiden, stattgefunden habe. Der Betriebsrat sei über die als Kündigungsgrund genannte Stilllegung des Betriebs nicht hinreichend informiert worden.
Weiter führten die Kläger aus, dass Aufträge im Rahmen des arbeitsgeberseitigen Netzwerks mit unterschiedlichen Tochter- und Leiharbeitsfirmen beliebig verlagert werden könnten. Ohne nähere Informationen auch über diesbezügliche Einflüsse und Hintergründe könne der Betriebsrat nicht ernsthaft über eine Vermeidung der Massenentlassungen verhandeln.
Das Landesarbeitsgericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH einige Fragen zur Auslegung der Massenentlassungsrichtlinie (RL 98/59/EG) zur Vorabentscheidung vor.
Die streitige nationale Vorschrift
Die Vorlage bezieht sich auf § 17 Abs. 3a KSchG, der in Umsetzung der Massenentlassungsrichtlinie Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten auch dann vorsieht, wenn die Entscheidung über die Entlassungen von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen betroffen wurde. Der Arbeitgeber kann sich hiernach nicht darauf berufen, dass das für die Entlassungen verantwortliche Unternehmen die notwendigen Auskünfte nicht übermittelt habe.
Die Vorlagefragen
Konkret will das Landesarbeitsgericht wissen, ob der Begriff der „Entscheidung über die Entlassungen“ nur die unmittelbare Entscheidung meint oder auch eine mittelbare Entscheidung, die ein abhängiges Unternehmen zur Vornahme von Entlassungen bewegt.
Außerdem ist aus Sicht des Landesarbeitsgerichts bisher nicht geklärt, ob nur ein Unternehmen, dessen Einfluss über Beteiligungen und Stimmrechte abgesichert ist, als beherrschendes Unternehmen anzusehen ist oder ob auch ein vertraglich oder faktisch abgesicherter Einfluss – zum Beispiel über Weisungsmöglichkeiten natürlicher Personen – ausreicht.
Weiter möchte das Landesarbeitsgericht wissen, welche Informationen in solchen Fällen erteilt werden müssen, damit der Betriebsrat tatsächlich in die Lage versetz wird, sinnvoll über eine Vermeidung von Massenentlassungen zu verhandeln.
Bewertung
Den Bedenken des Landesarbeitsgerichts und den daraus resultierenden Fragen zur Vorlage an den EuGH sind vollumfänglich zuzustimmen. In der Vergangenheit wurden die thematisierten Fragen nicht im ausreichenden Maße zum EuGH bestimmt, wodurch die Massenentlassungsrichtlinie im Hinblick auf diese Fragen einer detaillierten Auslegung bedarf.