Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2016 – 1 K 2470/14 L

Hintergrund

Zwischen dem Finanzamt, Beklagter, und der Klägerin, einem Logistikunternehmen, war streitig, ob die Übernahme von Verwarnungsgeldern der Mitarbeiter zu lohnsteuerpflichtigem Arbeitslohn führt.

Das Logistikunternehmen hatte im Vorhinein für seine beschäftigten Fahrer ergangene Verwarnungsgelder für das ordnungswidrige Abstellen der Lieferfahrzeuge für die Zustellung an Kunden übernommen. In vielen Städten hatte die Klägerin Ausnahmegenehmigungen für das Abstellen der Lieferfahrzeuge beantragt. Diese wurden teilweise verbunden mit Nebenbestimmungen erteilt. Nicht alle Städte erteilten Ausnahmegenehmigung. Die Fahrer stellten dennoch ordnungswidrig für die Auslieferung ihre Fahrzeuge ab. Dem folgten Verwarnungsgelder. Das Logistikunternehmen hatte diese unter Vermeidung eines Bußgeldverfahrens stets übernommen. Es wurden ausschließlich solche Verwarnungsgelder für das ordnungswidrige Abstellen der Lieferfahrzeuge übernommen, andere Verwarnungs- oder Bußgelder, auch von anderen Mitarbeitern des Unternehmens, wurden nicht übernommen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Übernahme der Verwarnungsgelder nicht dem Lohnsteuerabzug unterliege und es sich nicht um Arbeitslohn der Fahrer handelt. Die Klägerin führte hierzu aus, dass die Übernahme der Verwarnungsgelder ausschließlich im eigenen betrieblichen Interesse erfolgt. Eine Zuwendung mit Entlohnungscharakter zu Gunsten der Fahrer lehnte die Klägerin ab. Die Übernahme der Verwarnungsgelder diene ausschließlich dem möglichst reibungslosen und effektiven Arbeitsablauf des Unternehmens. Zudem führte sie aus, dass sie sich stets um die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen bemüht habe.
Im Übrigen verwies die Klägerin darauf, dass die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 14. November 2013 gerade nicht auf die streitgegenständliche Situation zutreffe.

Vormals hatte der Bundesfinanzhof mit Entscheidung aus dem Jahre 2004 den Begriff des eigenbetrieblichen Interesses relativ weit ausgedehnt. Nach zahlreichen Kritiken in der Literatur revidierte er diese Vorgehensweise in der angesprochenen Entscheidung aus dem Jahre 2013.

Jedoch führte die Klägerin hierzu aus, dass die Qualität der Rechtsverstöße in ihrem Verfahren eine grundlegend andere sei als diese des Verfahrens aus dem Jahre 2013.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FG Düsseldorf beschied die Klage für begründet. Die angefochtene Lohnsteueranmeldung befand das Gericht für rechtswidrig ausgehend von der Verletzung der Klägerin in ihren Rechten.

Gründe

Das Gericht führte aus, dass ausgehend von der Norm des § 19 I 1 Nr. 1 EStG Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören. Als Arbeitslohn ist jeder dem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil zu verstehen, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist.

Das Gericht stellte fest, dass die Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Arbeitgeber zunächst einen geldwerten Vorteil darstellt. Dies treffe jedoch nicht auf eine eigene Verbindlichkeit des Arbeitgebers zu. Bei den im Verfahren angeführten Urteilen des Bundesfinanzhofs aus den Jahren 2004 und 2013 ging es um die Verbindlichkeiten der Fahrer selbst. Die Verstöße gegen die Park-& Haltevorschriften der Straßenverkehrsordnung ergingen unmittelbar gegenüber der Klägerin. Ausschließlich die Klägerin war Halterin des oder der Fahrzeuge. Insoweit war Inhaltsadressat der jeweiligen Verwaltungsgeldbescheide die Klägerin selbst. Eine Zurücksendung des Befragungsbogens erfolgte regelmäßig nicht.
Im Übrigen wäre eine Ermittlung der Fahrzeugführer im jeweiligen Einzelfall nahezu unmöglich gewesen, und nach Ablauf der einschlägigen Fristen ausgeschlossen.
Auch nach weiterer eingehender Prüfung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass zu Gunsten des Arbeitnehmers ein geldwerter Vorteil vorliegt.
Selbst eine Bejahung eines geldwerten Vorteils in Höhe der von der Klägerin gezahlten Verwarnungsgelder würde im Ergebnis nicht zur Tatbestandserfüllung des Arbeitslohns führen, da schon kein Entlohnungscharakter vorliegt. Das Gericht führte hierzu insbesondere aus, das es sich, in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH, vielmehr um eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung handelt. Das Interesse des Arbeitnehmers trete zurück.
Die betriebsfunktionalen Gründe leitete das FG Düsseldorf insbesondere aus der Beschränkung der Übernahme der Verwarnungsgelder auf die Folgen des Falschparkens her. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihren Betrieb auf das rechtswidrige Verhalten ihrer Arbeitnehmer gründet.
Mit Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes führte das FG zudem insbesondere aus, dass die Gewichtung bzw. die Schwere des Unrechtsgehaltes von Park-und Halteverstößen sehr gering ist.
Es müsse zudem auch auf die Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers abgestellt werden. Gerade in diesem streitgegenständlichen Einzelfall überwiege deutlich die Sicht des Arbeitgebers.

Insoweit erachtete das Finanzgericht Düsseldorf ein unstreitig vorliegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers für gegeben und verneinte damit die Lohnsteuerpflichtigkeit bzw. die Eigenschaft des Arbeitslohns der Übernahme der Verwarnungsgelder.

Bewertung

Der Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf ist uneingeschränkt zuzustimmen. Es arbeitet die Rechtsprechung des BFH zielgenau in seine Bewertung mit ein. Es kann nach meiner Auffassung keine pauschale Betrachtung der Übernahme von Verwarnungsgeldern erfolgen. Der Bundesfinanzhof bewertete in seiner Entscheidung aus 2013 die Übernahme der Gelder für den Verstoß gegen Lenk – und Ruhezeiten, noch dazu durch vormalige Anstiftung durch den Arbeitgeber. Hierin lag vielmehr ein Gründen des Betriebs auf ein rechtswidriges Verhalten. Insoweit muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach geurteilt werden, wenn hier auch schon zuvor keine Bewertung als Arbeitslohn mangels Entlohnungscharakter gegeben ist. Insbesondere lag, wie der entscheidende Senat hier auch ausführte, ein stetiges Bemühen der Klägerin zur Einholung von Sondergenehmigungen vor. Es bleibt abzuwarten, ob die Beklagte in dieser Sache die Revision vor dem Bundesfinanzhof anstrengt  und dieser seine Messlatte bezüglich der Schwelle zum Arbeitslohn im Nachgang weiter absenkt. Dies dürfte allerdings zu einer unbilligen Behandlung der Arbeitnehmer führen. Dies klang in dieser Entscheidung bereits an.