Pressemitteilung Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 27.03.2020

Hintergrund

Die bundesweiten Schließungen von Schulen und Kitas infolge der Corona-Pandemie fordern auch sorgeberechtigte Erwerbstätige heraus. Ist keine Betreuung der anvertrauten Kinder möglich, muss die Betreuung zuhause erfolgen. Sind die Betreuenden Arbeitnehmer, stellt sich die Frage, wie dann die qua Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung erbracht werden kann. Kann der Arbeitnehmer dieser Pflicht nicht nachkommen entfällt zumindest über die Regelung des § 616 BGB hinaus die Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers, nämlich die Pflicht zur Lohnzahlung.

Hier setzt der Gesetzgeber durch eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes und die Schaffung eines Entschädigungsanspruchs nun an. Diesen regelt mit Wirkung zum 1. April 2020 § 56 Abs. 1a IfSG.

Der Entschädigungsanspruch erfordert jedoch das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen:

  1. Schließung einer Schule oder Kita auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes
  2. Anspruchstellers ist erwerbstätiger Sorgeberechtigter für ein Kind
  3. Kind ist unter 12 Jahre alt/(unabhängig vom Alter) wegen Behinderung auf Hilfe angewiesen
  4. Es besteht keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit.
  5. Entstehen eines Verdienstausfalls

Ausdrücklich schließt das Gesetz den Anspruch in Zeiten von Schulferien aus. Hinsichtlich alternativer Betreuungsmöglichkeiten sind nach Angaben des Ministeriums Risikogruppen, zu denen beispielsweise Großeltern zählen können, ausgenommen. Wie auch die Gesetzesbegründung ausdrücklich erörtert, soll darüber hinaus eine Entschädigung auch nur für den Fall gewährt werden, dass keine andere Form der Fortzahlung des Entgelts möglich ist. Möglich wäre eine Fortzahlung beispielsweise aufgrund individualvertraglicher oder tarifvertraglicher Vereinbarung. Auch schließt die Möglichkeit von Überstundenabbau und die damit verbundene Fortzahlung des Entgelts einen Entschädigungsanspruch aus.

Gewährt wird dem sorgeberechtigten Arbeitnehmer ein Betrag in Höhe von 67 Prozent des Verdienstausfalls – also Ausfall des Nettoeinkommens bzw. Netto-Arbeitsentgelts – für einen Zeitraum von längstens sechs Wochen. Der Höchstbetrag pro Monat beläuft sich auf 2.016,- EUR.

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber die Entschädigung für die jeweils zuständige Behörde zahlen. Auf Antrag hin erstattet die Behörde die gezahlten Beträge dem Arbeitgeber.

Bewertung

Die im Eilverfahren geschaffene Regelung des Infektionsschutzgesetzes eröffnet sorgeberechtigten  Arbeitnehmern zumindest in finanzieller Sicht eine Abmilderung.

Nicht verständlich oder vielmehr widersprüchlich ist es hingegen, dass die Entschädigungen zunächst grundsätzlich durch die Arbeitgeber selbst stellvertretend für die jeweils zuständigen Behörden gezahlt werden müssen. Erklärtes Ziel der Bundesregierung war insbesondere auch die Sicherung der Arbeitgeberseite. Wie – pauschalisiert und branchenübergreifend betrachtet – bei Umsatzeinbußen und Betriebsschließungen durch Arbeitgeber finanzielle Mittel generiert werden sollen, um Entschädigungen zu zahlen, ohne auf Darlehen zurückzugreifen, ist in Bezug auf viele Branchen fraglich. Sollten finanzielle Reserven bestehen, mag dies von Vorteil sein. Dieses Privileg genießt aber nicht jede Branche und jeder Betrieb in Deutschland. Darüber hinaus bedeutet das Antragserfordernis zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Wenn staatliche und private Verwaltungen in der derzeitigen Lage auf personeller Sparflamme fahren müssen, werden Rückzahlungen auf sich warten lassen und die Arbeitgeberseite weiter finanziell gefährden.

Julia Wulf
Rechtsanwältin

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