Bundesarbeitsgericht, Entscheidung vom 26.01.2017 – AZR 736/15
Hintergrund
Der Kläger ist seit Dezember 2011 mit einem GdB von 50 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Die Beklagte, ein Express-Versand und Transport-Service Unternehmen, beschäftigt ihn seit dem Jahr 2007. Zuletzt war der Kläger in der Station der Beklagten in K. als Kurier mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 27,5 Stunden tätig. Im Juni 2013 wurden die Arbeitszeiten aller teilzeitbeschäftigten Kuriere mit entsprechendem Wunsch erhöht, ausgenommen die des Klägers und die eines anderen Kuriers. Insgesamt verteilte die Beklagte ein Stundenvolumen von 66,5 Stunden auf die Kuriere und schloss mit ihnen entsprechende Änderungsverträge ab. Auch der Kläger hatte mehrfach eine Erhöhung der Wochenstundenzahl erbeten.
In dem Vorgehen seiner Arbeitgeberin sah der Kläger eine unzulässige Diskriminierung aufgrund seiner Behinderung. Daraufhin erhob er Klage vor dem Arbeitsgericht und beantragte die Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit unter entsprechender Vertragsänderung und hilfsweise Schadensersatz gemäß § 15 Abs. 1 AGG in Höhe der ihm aufgrund der unterbliebenen Arbeitszeiterhöhung entgangenen und entgehenden Vergütung. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab dem Hilfsantrag statt. Auf die Revision der Beklagten hob das Bundesarbeitsgericht jedoch das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Gründe
Nach der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts konnte nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein entsprechender Anspruch auf Schadensersatz aus § 15 Abs. 1 AGG zusteht. Zur Bejahung eines solchen Anspruchs hätte der Kläger Indizien im Sinne von § 22 AGG, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen, vortragen müssen. Das LAG hatte nach Ansicht des BAG die Voraussetzungen von § 22 AGG zu Unrecht bejaht. Zur Begründung hatte das Berufungsgericht angeführt, dass eine solche Ursächlichkeit vorliegend möglich sei. Die bloße „Möglichkeit“ einer Ursächlichkeit genügt jedoch nicht, um die Vermutung einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes anzunehmen. Dafür sei „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ erforderlich. Nun muss das LAG erneut entscheiden, ob ausreichende Indizien vorgetragen wurden.
Bewertung
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Die Beweislastumkehr des § 22 AGG kann nur greifen, wenn Indizien vorliegen, die mit “überwiegender Wahrscheinlichkeit” darauf schließen lassen, dass ein in § 1 AGG genannter Grund ursächlich für die Benachteiligung des Arbeitnehmers war. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene „Möglichkeit“ einer Ursächlichkeit ist folglich nicht ausreichend, sodass der Anspruch nicht unter diesen Voraussetzungen bejaht werden konnte. Die bereits vom LAG getroffenen Feststellungen reichten allerdings noch nicht für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits durch das BAG aus, sodass die Sache an das LAG zurückverwiesen werden musste.