Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.03.2017 – 2 AZR 551/16

Hintergrund

Die klagende Arbeitnehmerin war seit vielen Jahren bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, als Sachbearbeiterin beschäftigt. Im Zeitraum von Oktober 2014 bis April 2015 kam es zwischen der Klägerin und einer Arbeitskollegin zu verschiedenen Vorfällen, die den Betriebsrat dazu verleiteten, die Beklagte zur Entlassung der Klägerin aufzufordern. Hilfsweise wurde die Versetzung gefordert. Als die Beklagte diesem Verlangen zunächst nicht nachkam, leitete der Betriebsrat daraufhin ein Beschlussverfahren nach § 104 S. 2 BetrVG bei dem zuständigen Arbeitsgericht ein. Dieses gab der Beklagten antragsgemäß auf, die Klägerin zu entlassen. Diese war zuvor in dem Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 3 ArbGG angehört worden. Es folgte eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses am 21.10.2015 sowie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2016, wogegen die Klägerin Kündigungsschutzklage erhob. Als Begründung führte sie an, dass ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung fehle und die ordentliche Kündigung nicht gemäß § 1 Abs. 2 sozial gerechtfertigt sei. Die Vorinstanzen haben die außerordentliche Kündigung für unwirksam, die ordentliche Kündigung jedoch für wirksam erachtet. Diese Ansicht hat das Bundesarbeitsgericht nun bestätigt.

Gründe

Für eine außerordentliche Kündigung fehlt es nach der Ansicht des Senats tatsächlich an einem wichtigen Grund im Sinne von 626 Abs. 1 BGB. Ein solcher liegt nicht bereits aufgrund des Beschlusses des Arbeitsgerichts in dem Verfahren gemäß § 104 Abs. 2 BetrVG vor.

Dagegen war die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30.6.2016 wirksam. Entgegen der Ausführungen der Klägerin war sie nicht sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. S. 1 KSchG, sondern es lag ein dringendes betriebliches Erfordernis  vor. Dieses wird begründet durch die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts, dass die Arbeitnehmerin entlassen werden muss. Durch das Verfahren des § 104 Abs. 1 BetrVG  wird ein eigener Anspruch des Betriebsrats auf Entlassung oder Versetzung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber begründet. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, ob diese Kündigung sozial gerechtfertigt ist. § 104 Abs. 1 BetrVG gibt vielmehr eigenständig die abschließenden Voraussetzungen für die Kündigung vor. Für ein dringendes betriebliches Erfordernis ist ferner erforderlich, dass die Betroffene gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG in dem Beschlussverfahren beteiligt worden ist. Dies ist hier der Fall. Die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung lagen also vor, auf eine soziale Rechtfertigung kommt es nicht weiter an.

Bewertung

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. § 104 Abs. 1 BetrVG soll abschließend die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entlassung gegen den Arbeitnehmer regeln. Ist wie vorliegend in einer rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts festgestellt worden, dass gesetzeswidriges Verhalten der Arbeitnehmerin vorliegt, hat der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Entlassung nachzukommen. Zeitnah nachdem der Beschluss in Rechtskraft erwachsen ist muss eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Beachtung der Kündigungsfrist herbeigeführt werden.