Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.06.2016 – 8 AZR 757/14

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist das Bestehen eines Schadensersatzanspruches des Klägers gegen den Beklagten. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde durch die Beklagte ordentlich zum 30.06.2011 gekündigt. Im anschließenden Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich, der das Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.12.2011 bestimmte. Dem Kläger war die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorbehalten. In diesem Fall sollte sich die Abfindung um die frei werdenden Vergütungszahlungen erhöhen. Gezahlt werden sollte die Abfindung „mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats. Der Kläger schied zum 31.12.2011 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die vereinbarte Abfindung iHv. 47.500,00€ brutto rechnete die Beklagte zusammen mit dem Entgelt für den Monat Dezember 2011 ab und überwies den sich ergebenden Nettobetrag auf das Konto des Klägers, dem dieser am 30.12.2011 gutgeschrieben wurde.
Der Kläger machte gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ersatz eines Steuerschadens iHv. insgesamt 4.655,72 € mit der Begründung geltend, dass die Beklagte ihre Verpflichtung aus dem Vergleich verletzt habe, da die Zahlung erst mit dem Gehaltslauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monats, also erst im Januar 2012, hätte erfolgen dürfen. Zwischen den Parteien sei, dem eindeutigen Wortlaut des Vergleichs zufolge, keine bloße Fälligkeitsabrede, sondern ein fester Auszahlungstermin vereinbart worden. Selbst wenn von einer Fälligkeitsabrede auszugehen sein sollte, habe die Beklagte gegen ihre Pflichten aus dem Vergleich verstoßen, indem sie die Zahlung vorfällig vornahm und dadurch die rechtlich geschützten Interessen des Klägers beeinträchtigte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch zu, da diese ihre Pflichten aus dem Vergleich nicht verletzt habe, sondern hingegen berechtigt war, die Abfindung bereits im Dezember 2011auszuzahlen.
Die Auslegung des Vergleichs durch das Landgericht München halte der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. So ergebe sich aus dem Wortlaut des Vergleichs nicht eindeutig, ob die Zahlung der Abfindung „erst“ bzw. „frühestens“ oder „spätestens“ mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats erfolgen durfte. Ferner ließe sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des Prozessvergleichs, den Äußerungen der Parteien hierzu sowie aus deren Interessenlage ein fester Auszahlungstermin erschließen. Denn wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, sei Interessenlage bzw. die (einseitigen) Vorstellungen einer Partei im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB überhaupt nur dann maßgeblich sofern sie der andren Vertragspartei bei Vertragsschluss erkennbar gewesen seien. Ein Hinweis seitens des Klägers auf seine Interessen bei Vergleichsschluss, die Abfindung mit Ablauf des 31.12.2011 erst im Steuerjahr 2012 zu erhalten, erfolgte nicht. Zudem seien auch keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer dieses Interesse des Klägers für die Beklagte anderweitig erkennbar gewesen wäre.
Die Möglichkeit, dass das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang ein Bestreiten des Klägers übergangen haben sollte, gereiche dem Kläger nicht zum Vorteil. Entscheidend für die Anwendbarkeit der in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Auslegungsregel sei nämlich nicht, ob mehr oder weniger für die Annahme einer reinen Fälligkeitsabrede spreche, sondern der Anwendungsausschluss von § 271 Abs. 2 BGB durch die Parteien im Prozessvergleich, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen. Eine solche Vereinbarung habe das Landesarbeitsgericht aber in zutreffender Anwendung der in §§ 133, 157 BGB bestimmten Auslegungsgrundsätze gerade nicht angenommen. Auch aus den Umständen ergäbe sich kein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 271 Abs. 2 BGB.
Zuletzt bestehe auch keine Verkehrssitte, wonach eine Abfindung im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende eines Jahres aus steuerlichen Gründen stets erst im Folgejahr gezahlt würde. Welcher Zuflusszeitpunkt sich für den Arbeitnehmer aus steuerlichen Gründen als günstiger erweise sei einzelfallabhängig, und hinge unter anderem von dem zu erwartenden Einkommen des Arbeitnehmers in den jeweiligen Steuerjahren ab, was erst im Nachhinein beurteilt werden könne.
Entgegen der Klägerauffassung sei das Landgericht somit zutreffend der Auffassung, dass dem Vergleich kein eindeutiger Auszahlungszeitpunkt zu entnehmen sei und sodann § 271 Abs. 2 BGB greife. Eine vorfällige Abfindungszahlung sei somit gesetzlich nicht ausgeschlossen.

Bewertung

Das Bundesarbeitsgericht führt durch sein Urteil die Rechtsprechung des BGH zu § 271 Abs. 2 BGB fort. Darin bestätigt es, dass Vereinbarungen zum Auszahlungszeitpunkt einer Abfindung grundsätzlich als bloße Fälligkeitsabreden zu werten sind, nicht aber als Vereinbarung eines fixen Zahlungszeitpunktes. Ist es dem Arbeitnehmer ein Anliegen zu verhindern, dass der Arbeitgeber bereits vor Fälligkeit zahlen darf, muss eine Klausel, die ausdrücklich bestimmt, dass die Zahlung nicht vor einem bestimmten Datum vorgenommen werden darf, in die Vereinbarung aufgenommen werden. Zuletzt stärkt das Bundesarbeitsgericht dadurch die Funktion des § 271 Abs. 2 BGB als Zweifelsregelung, dessen Anwendungsbereich ansonsten erheblich geschmälert würde.