Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.01.2017 – 3 Sa 244/16

Hintergrund

Streitig zwischen den Verfahrensbeteiligten war die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung gegenüber dem 62 Jahre alten, verheirateten Gesellen im Bereich der Gas-und Wasserinstallation, Kläger, durch den beklagten Kleinbetrieb mit drei angestellten Gesellen, der Mutter der Geschäftsführer als Büroangestellter und einem Auszubildenden.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten war ein auf den 31.01.2007 datierter Arbeitsvertrag. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Beklagte außerordentlich und fristlos, hilfsweise fristgerecht, zum nächstmöglichen Termin mit Schreiben vom 19.02.2016.

Am Ende eines Arbeitstages hatte der Kläger das Büro des Geschäftsführers FB betreten. Dieser konnte aufgrund eines andauernden Telefonates nicht mit dem Kläger sprechen. Jedoch war der Vater des BF zugegen, der vormalige Geschäftsführer des Unternehmens. Der Kläger brachte vor, die Verlängerung eines Pneumaschlauches mangels erforderlicher Teile nicht sachgerecht fertigstellen zu können. Der ehemalige Geschäftsführer wies ihn an, im Notfall etwas zu „schnitzen“. Das Problem beruhte unstreitig auf einem ungelösten Lieferantenproblem. Im Folgenden erfragte der Kläger die Sicherungsmöglichkeiten für den Schwimmer einer Pumpe. Der ehemalige Geschäftsführer verwies auf die vormalige Tätigkeit des Klägers als Seemann und wies ihn zur Lösung des Problems an, einen Knoten zu machen. Der Kläger empfand diese Ausführung als sarkastischen Humor. Er verließ den Raum ohne weitere Worte und nahm sinngemäß vom Geschäftsführer die Aussage auf „Kinderkram/Sind wir hier im Kindergarten?“.

Am Morgen des 16.02.2016 trafen Kläger und die Geschäftsführer in angespannter und gereizter Stimmung im Büro der Geschäftsführer aufeinander. Der Kläger führte aus, dass das Gespräch vom  Vortag von ihm nicht als „Kinderkram“ verstanden werde. Er beschwerte sich zudem über eine Abmahnung vom 16.11.2015 aus einem anderen Anlass. Es entwickelte sich ein im Einzelnen im Verfahren noch streitiges Wortgefecht zwischen Kläger-und Beklagtenseite. Unstreitig wies der Kläger darauf hin, dass FB gerne den Chef heraushängen lasse und sich der Vater des BF ihm gegenüber am Vortag wie ein „Arsch“ verhalten habe. BF ist auf dem besten Weg, seinem Vater den Rang abzulaufen, so der Kläger. Er sagte weiter: „Dann kündigt mich doch“. FB erwiderte hierauf: „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen.“ Hierauf erwiderte der Kläger unstreitig, dass die Firma dies bereits sowieso sei. Das Gespräch endete, der Kläger setzte seine Arbeitszeit fort. Am Abend des 16.02.2016 wurde der Kläger telefonisch zum Abbau von Arbeitszeitguthaben freigestellt. Danach wurde ihm bis zum 24.02.2016 Urlaub gewährt.

Die Beklagte empfand die Ausführungen des Klägers als Beleidigung. Der Kläger entschuldigte sich nach dem Vorfall nicht. Die Beklagte sprach ihm mit Schreiben vom 19.02.2016 die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung aus.

Hiergegen erhob der Kläger am 24.02.2016 Klage. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 11.08.2016 ab. Am 16.09.2016 legte der Kläger gegen diese Entscheidung des Arbeitsgerichts Neumünster Berufung ein.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) wies die Berufung zurück und ließ die Revision nicht zu.

Gründe

Wesentlicher Aspekt für das LAG war die nachhaltige Beleidigung mit der Begrifflichkeit „soziale Arschlöcher“ und das Fehlen einer Affektsituation, die eine solche Aussage hätte provozieren können. Im Übrigen untermauerte das LAG, dass der Kläger unentwegt auf seiner Aussage beharrte und keinen Willen kundtat, sich aufrichtig zu entschuldigen. Ausgehend von dieser Lage sei ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses der Beklagten unzumutbar, auch nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Nach § 626 I BGB ist die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund möglich. Diese ist bei Vorliegen von Tatsachen möglich, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen.

Zunächst ist die Geeignetheit eines Grundes zu prüfen. Dann ist die Abwägung vorzunehmen, vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht vom 23.06.2009 (Az.: 2 AZR 103/08). Die strafrechtliche Würdigung spielt keine Rolle. Es kommt auf die Beurteilung des Arbeitsverhältnisses und dessen mögliches Fortbestehen an. Die Kündigung soll der Vermeidung weiterer Vertragsverletzungen dienen. Die Beweislast trägt der Arbeitgeber.

Grobe Beleidigungen sind grundsätzlich ein möglicher Rechtfertigungsgrund für eine fristlose Kündigung. Unter der dargestellten Beurteilungsweise kam das Gericht zu dem bereits in den wesentlichen Gesichtspunkten ausgeführten Ergebnis.

Bewertung

Der Entscheidung des LAG ist zuzustimmen. Das Gericht hat die verschiedenen Aspekte des Sachverhaltes hinlänglich in seine Bewertung mit einfließen lassen und die Kündigung nach Maßgabe der geltenden Kriterien zutreffend  als wirksam deklariert. Die Entscheidung zeigt, dass es Grenzen des Arbeitnehmerschutzes gibt und auch geben muss. Bestimmte Aussagen, insbesondere dieses Sachverhaltes bei zeitlichen Abständen, können nicht ohne Konsequenz im Raum stehen bleiben. Nicht umsonst ist die fristlose Kündigung durch den Gesetzgeber in das BGB aufgenommen worden.