Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 08.05.2017 – 2 Sa 264/16

Hintergrund

Der 1972 geborene ledige Kläger war seit 2001 auf der Basis verschiedener jeweils befristeter Verträge als Produktionsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte produziert u.a. Fernsehsendungen für die Firma R TV-Produktion GmbH. Mitte 2015 kündigte sie aufgrund der Beendigung der künstlerischen Tätigkeit von Stefan Raab 80 Arbeitnehmern; darunter befand sich auch der Kläger. Die Beklage beschäftigt zwei weitere Produktionsleiter. Diese Produktionsleiter sind ebenfalls ledig, jedoch jünger als der Kläger und haben eine Betriebszugehörigkeit von nur elf bzw. zehn Jahren.

Der letzte zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 8.2.2011 beinhaltet, dass der Arbeitnehmer bis 31.12.2015 eingestellt wird. Zudem enthält er unter Ziffer 1 eine allgemeine Tätigkeitsbeschreibung der Beklagten, dass diese im Auftrag der R TV-Produktion GmbH Sendungen produziert. Unter Ziffer 3 des Arbeitsvertrags steht, dass das Arbeitsverhältnis befristet ist und der Arbeitnehmer ausschließlich im Rahmen der Produktion gem. Ziffer 1 angestellt wird.

Der Kläger erhob Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung noch durch die Befristung am 31.12.2015 geendet hat. Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht zunächst keinen Erfolg. Die dagegen gerichtete Berufung war jedoch erfolgreich.

Gründe

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Befristung im Arbeitsvertrag vom 8.12.2011 noch durch die Kündigung vom 23.6.2015 beendet worden.

Der Arbeitsvertrag der Parteien ist nicht wirksam befristet, da es an einem sachlichen Grund gem. § 14 TzBfG fehlt. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG liegt eine wirksame Befristung nur vor, wenn bei Abschluss des Vertrags feststeht, dass die Arbeitsleistung mit dem Befristungsende nicht mehr benötigt wird. Eine bloße Ungewissheit, ob zum Befristungsende weitere Aufträge vorliegen und der Bedarf an der Arbeitsleistung weiterbesteht, reicht nicht aus. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 8.12.2011 bereits festgestanden hat, dass Stefan Raab seine Tätigkeiten unwiderruflich zum 31.12.2015 beenden wird. Zudem müsste auch festgestanden haben, dass die Beklagte keine weiteren Verträge mit der R TV Produktion GmbH plant und das keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten durch Aufträge anderer Vertragspartner zukünftig gegeben sein werden.

Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die Kündigung beendet worden, da diese gem. § 1 KSchG nicht sozial gerechtfertigt ist. Die Beklagte hat trotz des Wegfalls der Aufträge der R TV Produktion GmbH weiterhin zwei Produktionsleiter beschäftigt, die aufgrund ihres jüngeren Alters und der kürzeren Betriebszugehörigkeit sozial weniger schutzwürdig sind als der Kläger. Der Kläger ist auch mit diesen Mitarbeitern vergleichbar, denn durch den Arbeitsvertrag ist das Direktionsrecht der Beklagten nicht eingeschränkt worden. Dem Kläger können auch die Tätigkeiten der anderen beiden Produktionsleiter zugewiesen werden.

Die Auslegung des Arbeitsvertrags ergibt, dass die Beklagte sich nicht verpflichtet hat, den Kläger nicht auch in anderen Produktionen als der in Ziffer 1 einzusetzen. Zudem hat sich die Beklagte selbst nicht durchgehend an die von ihr gewünschte Einschränkung des Direktionsrechts gehalten und den Kläger auch zur Produktion einer Sendung für den WDR eingesetzt. Nähme man eine Einschränkung des Direktionsrechts durch den Arbeitsvertrag an, so würde dies den Kläger entgegen den Geboten von Trau und Glauben gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligen, weil die Einschränkung von § 106 GewO abweicht. Durch die Einschränkung des Direktionsrechts würde dann dasjenige durchgesetzt, was durch Befristung nicht geregelt werden kann, und könnten, Arbeitnehmer entlassen werden, ohne eine Sozialauswahl durchführen zu müssen.

Bewertung

Wenn der Arbeitgeber rechtlich anerkennenswerte Gründe hat, von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern einige Arbeitnehmer – aber eben nicht alle Arbeitnehmer – zu kündigen, stellt sich zwangsläufig die Frage, welchen der miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer eine Kündigung ausgesprochen werden darf. Der Arbeitgeber muss also eine Auswahlentscheidung treffen. Diese sogenannte Sozialauswahl führt dazu, dass der Arbeitgeber nicht frei in seiner Entscheidung ist, welchem der betroffenen Arbeitnehmer gekündigt werden soll. Der Arbeitgeber muss die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nämlich an der sozialen Schutzbedürftigkeit, die sich nach verschiedenen Indizien wie z.B. Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung des Arbeitnehmers richtet, orientieren (§ 1 Abs. 3 KSchG).

Die Einschränkung des Direktionsrechts zum Zweck der erleichterten Kündbarkeit von Arbeitnehmern, ohne eine nach obigen Ausführungen beschriebene Sozialauswahl durchführen zu müssen, stellt eine Umgehung der gesetzlichen Regelung dar und ist nach § 307 BGB unwirksam.