Pressemitteilung Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 16.04.2020

Hintergrund

Mit Blick auf die schrittweise Lockerung der Maßnahmen zur Eingrenzung der Ausbreitung des Corona-Virus hat die Bundesregierung Empfehlungen beschlossen, die einen bundeseinheitlichen Schutzstandard in Bezug auf den Arbeitsschutz gewährleisten sollen.

Bei ihrer Vorstellung durch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und den Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Dr. Stefan Hussy, stellte Hussy in Aussicht, dass seitens der Unfallversicherungsträger die Eckpunkte durch branchenspezifische Informationen und Beratungsangebote konkretisiert und weiterentwickelt werden sollen.

Im Einzelnen hat die Bundesregierung beschlossen:

  1. Angepasster Arbeitsschutz: Schutzmaßnahmen sollen individuell an den gegebenen Pandemieverlauf angepasst werden und in diesem Sinne an gesteigerte Risiken gemessen werden.
  2. Abstimmung unter Sozialpartnern/Ausbau arbeitsmedizinischer Vorsorge: Neben einem Ausbau an arbeitsmedizinischer Vorsorge sollen die Sozialpartner kooperativ an einer Integration der erforderlichen Maßnahmen im betrieblichen Alltag arbeiten.
  3. Sicherheitsabstand von 1,5 Metern: Grundsätzlich soll in allen Bereichen und an allen Orten (Gebäude, im Freien, Fahrzeuge usw.) ein Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden. Betriebe sollen hierzu geeignete Maßnahmen treffen, um dieses Ziel zu erreichen. Beispielsweise kann dies durch Zugangsregelungen, Absperrungen oder Markierungen erreicht werden.
  4. Kontaktreduzierung zwischen Beschäftigten: Die Arbeitsorganisation soll möglichst dahingehend optimiert werden, dass auch zwischen Mitarbeitern möglichst wenig direkter Kontakt besteht. Dies kann beispielsweise durch spezielle Schichtplanungen, Pausenregelungen, Anwesenheitspflichten erreicht werden.
  5. Krankheitssymptome verpflichten zum Fernbleiben vom Arbeitsplatz: Im Fall des Vorliegens der einschlägigen Krankheitssymptome sind Beschäftigte gehalten, sich erst gar nicht auf den Weg zur Arbeitsstätte zu machen, bei Auftreten von Symptomen am Arbeitsplatz soll dieser unverzüglich verlassen werden. All das soll gelten, bis eine abschließende und entwarnende ärztliche Diagnose getroffen worden ist.
  6. Besondere Schutzmaßnahmen bei unvermeidbarem direkten Kontakt: Sollten im Einzelfall begründete Umstände einen direkten Personenkontakt unvermeidbar machen (so im Fall des Friseurhandwerks beispielsweise) sind Arbeitgeber gehalten, Nase-Mund-Bedeckungen sowohl für Beschäftigte als auch für durch den Kontakt betroffene Personen (Kunden, Dienstleister usw.) zur Verfügung zu stellen.
  7. Umfangreiche/Zusätzliche Hygienemaßnahmen: Arbeitgeber sollen durch die Einrichtung von Waschgelegenheiten/Desinfektionsspendern im Bereich von Ein-und Ausgängen sowie in der Nähe des Arbeitsplatzes die regelmäßige Handhygiene ermöglichen. Zudem sollen kürzere Reinigungsintervalle für Kontaktflächen festgesetzt werden (betriebliche Räumlichkeiten, Fahrzeuge, Arbeitsmittel usw.). Alle Beteiligten sind gehalten, die allgemeine „Nies-/Hustetikette“ einzuhalten.
  8. Nutzung arbeitsmedizinscher Vorsorge/Schutz von Risikogruppen: Neben dem erforderlichen Schutz von erkannten Risikogruppen soll die Vorsorge beim Betriebsarzt dazu genutzt werden, über etwaige Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit der Beschäftigung aufzuklären.
  9. Betriebliche Pandemievorsorge: Arbeitgeber sind angehalten, im Falle des Falles geeignete Maßnahmen bei auftretenden Infektionen zu treffen. Hierzu gehört beispielsweise die Isolierung von Betroffenen. Im Gleichklang sind Arbeitnehmer gehalten, unverzüglich über eigene Infektionen zu informieren und sich an bestimmte durch die Arbeitgeberseite bestimmte Personen zu wenden.
  10. Kommunikation zu „Gesundheit geht vor“: Arbeitgeber sind angehalten, über Infektionsschutzmaßnahmen in geeigneter und verständlicher Weise aufzuklären.

Den Wortlaut des Papiers finden Sie über die Internetseite des BMAS unter:  https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Bewertung

Die nun verabschiedeten Empfehlungen der Bundesregierung haben zunächst einmal keine Rechtsverbindlichkeit. Es gilt aber wie sonst auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. So kann die  Missachtung der Empfehlungen zur Begründung einer Pflichtverletzung zuwider des § 618 Abs. 1 BGB respektive der §§ 3 bis 5 ArbSchG führen und insoweit negative Folgen nach sich ziehen, wenn entscheidende Gerichte die gesetzten Standards als Maßstab für die Bewertung einer mutmaßlichen Pflichtverletzung der Arbeitgeberseite heranziehen. Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie sich an die gesetzten Empfehlungen halten – nicht nur aus rechtlicher Perspektive.

Julia Wulf
Rechtsanwältin

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