Ärztliches Berufsrecht: Die aktive Mitwirkung eines Kardiologen  an der Erbeinsetzung zugunsten seines Sohnes durch eine Patientin verstößt gegen die Berufsordnung

Ärztliches Berufsgericht Niedersachsen, Urteil vom 11.05.2016 – BG 13/15

Hintergrund

Beschuldigter ist ein niedergelassener habilitierter Kardiologe. Die zum Zeitpunkt der Entscheidung 92- jährige Patientin befand sich seit langer Zeit bei ihm in Behandlung. Sie war seit 2015 in der Pflegestufe 3 eingruppiert und konnte schlecht schreiben. Mit notariellem Testament setzte sie im Jahre 2011 den Sohn des Beschuldigten zu ihrem Alleinerben ein. Im Jahr 2015 änderte die Patientin des Beschuldigten ihr Testament und setzte einen e.V. als ihren Alleinerben ein. Wenige Monate darauf legte der Beschuldigte seiner Patientin ein rückdatiertes Schriftstück vor, welches diese unterschrieb. Damit vererbte sie ihr Haus an den Sohn des Beschuldigten. In einem weiteren Behandlungstermin legte er ihr das Schriftstück erneut vor, welches er um eine weitere Häuserhälfte ergänzt hatte. Auch dieses Schriftstück unterschrieb die Patientin. In einem weiteren Behandlungstermin legte ihr der Beschuldigte dann noch ein Schriftstück zur Unterschrift vor, mit dem die Patienten seinem Sohn die bereits vererbten 1 ½ Häuser schenke. Im weiteren Verlauf des Jahres 2015 kontaktierte der Beschuldigte die Schwester seiner Patientin und bat um Besichtigung der Häuser. Diese ließ anwaltlich mitteilen, dass die vermeidlich vererbten Häuser gar nicht im Eigentum seiner Patientin stünden. Im November 2015 setzte die Patientin den Sohn des Beschuldigten erneut durch öffentliches Testament vor einer Notarin zum Alleinerben ein. Im Januar 2016 unterschrieben sowohl der Beschuldigte, als auch seine Patientin ein neues Schriftstück, indem festgehalten wurde, dass weder der Beschuldigte selber, noch sein Sohn die Häuser erben werden.

Das ärztliche Berufsgericht Niedersachen verurteilte den Beschuldigten zur Zahlung einer Geldbuße i.H.v. 15.000 €.

Gründe

Der Beschuldigte räumte den objektiven Sachverhalt im vollen Umfang ein. Allerdings sah er in seinem Verhalten keine Berufspflichtverletzung begründet. Der Wunsch, die 1 ½ Häuser an seinem Sohn zu vererben sei alleine von seiner Patientin ausgegangen. Dies beziehe sich auch auf die von ihm vorgefertigten Schriftstücke, sowie die Testamentsänderungen. Er habe seine Patientin in keinerlei Hinsicht zu etwas gedrängt. Außerdem seien ihm und seinem Sohn eine Erbeinsetzung nie wichtig gewesen. Das Gericht verkannte nicht, dass die Patientin frei sei, jedem ihr Vermögen zu hinterlassen dem sie wolle und berücksichtigte auch, dass sie den Sohn des Beschuldigten bereits im Jahre 201 zu ihrem Alleinerbe erklärt habe. Dennoch sah es in dem Verhalten des Beschuldigten einen Verstoß gegen die §§ 2 Abs. 2, 32 Abs. 1 BerufsOrd Niedersachsen. Nach § 2 der BerufOrd Nds. hat der Arzt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Nach § 32 BerufsOrd Nds. ist es Ärzten nicht gestattet, von Patienten oder anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärtzlichen Entscheidung beeinflusst wird. Das Gericht sah einen objektiven Verstoß gegen diese Grundsätze gegeben. Der Beschuldigte habe der Patientin in den Behandlungsterminen erörtert, dass diese ihr Vermögen an seinen Sohn vererben könne. Er habe die beiden Schriftstücke vorbereitet und zu den Beratungsterminen mitgebracht und auch darauf hingewirkt, dass die Patientin diese unterschreibe. Er habe daraufhin weiter aktiv auf die Patientin eingewirkt, damit diese ihr Vermögen auf seinen Sohn übertrage und auch den Termin mit der Notarin abgestimmt. Nach Ansicht des Gerichts entsprach ein solches Mitwirken des Beschuldigten nicht der von einem Arzt zu fordernden ausschließlich am Wohl des Patienten orientierten Behandlung. Das offensichtliche Bemühen des Beschuldigten um die Erbeinsetzung seines Sohnes hätte den Eindruck vermittelt, er habe seine Stellung als Arzt dazu benutzt, gezielt das Vertrauen einer von ihm abhängigen Patientin mit Pflegestufe 3 auszunutzen. Auch bejahte das Gericht die subjektive Berufspflichtverletzung. Der Beschuldigte habe durch sein Verhalten widerlegt, dass ihm eine Erbeinsetzung unwichtig gewesen sei. Vielmehr habe er die Dinge vorangetrieben, indem er Schriftstücke aufsetzte, Termine vereinbarte und dafür gesorgt habe, dass der Wille der Patientin in die Realität umgesetzt würde. Dadurch sei die Gefahr eines erheblichen Ansehensverlustes der Ärzteschaft geschaffen worden, welcher eben durch die Berufsordnung verhindert werden solle. Entschuldigungsgründe seien nicht ersichtlich.

Bewertung

Dem Urteil des ärztlichen Berufsgerichts Niedersachsen ist zuzustimmen. Die Berufsordnungen für Ärzte haben nicht nur den Zweck, sicherzustellen, dass der Arzt stets zum Wohle seines Patienten handelt, sondern auch dazu, den guten Ruf der Ärzteschaft zu schützen. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten ist im besonderen Maße von Vertrauen geprägt und somit auch besonders zu schützen. Das Urteil wird dem Schutz dieses Vertrauensverhältnisses sowie dem Schutz der Ärzteschaft gerecht. Denn wie das Berufsgericht Niedersachsen in einer vorherigen Entscheidung bereits bekräftigte, solle kein Patient befürchten müssen, dass seine ärztliche Behandlung von der Erbringung einer nicht geschuldeten Leistung abhinge. Ein Patient darf erwarten, dass der Arzt sich ausschließlich mit seinen gesundheitlichen Sorgen beschäftigt.