OLG Köln, Urteil vom 07.10.2015 – 5 U 105/13

Hintergrund

Die Klägerin suchte am 21.12.2009 wegen starker Schmerzen in der rechten Schulter infolge eines Sturzes die Praxis des Beklagten auf. Dieser verabreichte ihr eine Injektion. Am 28.12.2009 stellte sich die Klägerin erneut in selbiger Praxis vor, wo sie durch die Vertreterin des Beklagten behandelt wurde. Diese veranlasste eine später ergebnislose Röntgenuntersuchung und überwies die Klägerin zur MRT- Untersuchung, die am 29.12.2009 im Krankenhaus G vorgenommen wurde. Am 30.12.2009 erfolgte eine Überweisung zum Orthopäden. Am 1.1.2010 wurde bei Vorstellung im Krankenhaus E eine Sepsis, Blutvergiftung, im Schultergelenk und Muskel festgestellt. Der Auslöser war bakteriell. Es erfolgte eine Abtragung und ausgedehnte Schleimbeutelentfernung. Am 3.1.2010 erfolgte ein zweiter operativer Eingriff.

Die Klägerin beanspruchte insoweit wegen ärztlicher Behandlungs – und Aufklärungsfehler Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung für zulässig, aber unbegründet beurteilt.

Gründe

Im Rahmen der Klageerhebung hatte die Klägerin vor dem Landgericht Köln behauptet, dass zum einen eine sofortige Injektion ohne weitere Diagnostik nach ihrem Sturz nicht dem ärztlichen Standard entspreche, und im Übrigen die Wahl von cortisonhaltigen Präparaten bei einer frisch traumatisierten Schulter für eine Injektion nicht geboten ist. Ferner stützte sie ihre Klage auf eine fehlende Berücksichtigung von Hygienevorschriften. Der Beklagter Arzt habe weder Handschuhe getragen noch eine Mehrfachdesinfektion des Infektionsgebietes vorgenommen, zudem habe neben der aufgezogenen Spritze ein angebissener Apfel gelegen. Dieses Verhalten des Beklagten sei grob behandlungsfehlerhaft gewesen. Ferner hat sie ausgeführt, dass die vorgenommene Behandlung zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung geführt habe, die Auslöser für den langwierigen Krankheitsverlauf gewesen ist. Sie stellte zudem auf eine mangelnde Aufklärung ab.
Im Nachgang der mündlichen Verhandlung, der Anhörung von Zeugen und Vernehmung der Sachverständigen, lehnte das Landgericht Köln die Klage mangels Feststellbarkeit der angeblichen Behandlung-und Aufklärungsfehler ab.
Hiergegen wendete sich die Klägerin mit bereits angesprochenem Ausgang des Verfahrens an das Oberlandesgericht Köln in der Berufung.

Das OLG Köln wies die Berufung der Klägerin mangels hinreichender Substantiierung bzw. Darlegung der angeblich fehlerhaften Behandlung zurück.

Das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Köln beruft sich insofern auf die Ausführung der einberufenen Sachverständigen.
Entscheidend sei, bezüglich der durch die Klägerin angegriffenen Vorname der Injektion, dass zum Zeitpunkt der Vornahme drei mögliche Befunde im Raum standen, von denen zumindest für einen die Injektion angesprochener Präparate für den Genesungsprozess hilfreich gewesen wäre, für die verbleibenden zwei Möglichkeiten wäre die Injektion derartiger Präparate nicht schädlich gewesen. Eine weitergehende Diagnostik, die insbesondere durch die Klägerin als fehlend bezeichnet worden ist, ist nach Auffassung der Sachverständigen zum Behandlungszeitpunkt medizinisch nicht zwangsläufig indiziert gewesen. Erst bei späterer weiterer Symptomatik wäre eine Durchführung weiterer Untersuchungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Aus Sicht der Klägerin sei gerade eine schnelle Beschwerdelinderung gefordert worden.

Auch die mangelnde Berücksichtigung von Hygienevorschriften konnte dem Beklagten nicht nachgewiesen werden. Aus Sicht der Sachverständigen waren die Maßnahmen ausreichend. Insoweit konnte die Ausführung der Klägerin, dass die Spritze in einem anderen Raum der Praxis aufgezogen worden ist, und im Nachgang in das Behandlungszimmer verbracht wurde, nicht als hinreichender Grund für eine Risikoerhöhung bestätigt werden. Insbesondere wurde auch festgestellt, dass durch den Beklagten der Infektionsbereich steril abgerieben und wiederholt mit Desinfektionsmittel eingesprüht worden ist. Insoweit wurde die Auffassung der Klägerin als fehlerhaft bewertet, dass eine Infektion nach der Injektion eine Kausalität mit der vorgenommenen Injektion zwangsläufig indiziere.

Die medizinischen Sachverständigen kamen ebenso zu dem Ergebnis, bzw. überzeugten den Senat auch insoweit, als dass die Behandlungsunterlagen des Beklagten und die darin enthaltene Dokumentation über die Aufklärung der Patienten nicht zu beanstanden waren. Der Senat des Oberlandesgerichts kam zu der Überzeugung, dass eine hinreichende Aufklärung über Risiken, insbesondere ein Infektionsrisiko, erfolgt ist.

Bewertung

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln spricht zentrale Probleme des Arzthaftungsrechts an.
Zunächst stand die Beurteilung der Frage im Raum, ob ein nicht umfänglich fundierter medizinischer Eingriff zu beanstanden ist. Unter Maßgabe des Sachverhaltes, insbesondere der Berücksichtigung der Tatsache, dass keine Schäden, im Zweifel jedoch eine Besserung aus medizinischer Sicht zu erwarten gewesen ist, lehnte das Gericht ein Behandlungsfehler ab, und entschied damit in praktikabler wie grundsätzlich auch logischer Art und Weise. Die Frage des Hygieneverstoßes ist indes eine wie steht’s im Arzthaftungsrecht höchst problematische. So wird es in der Praxis zumeist schwierig sein, einen Hygieneverstoß, bzw. eine Kausalität zwischen einem Schaden und einem möglichen Hygieneverstoß herzustellen. Auch der Weg über die Anhörungsrüge erscheint indes zumeist schwierig bis unmöglich.
Kernproblem des Sachverhaltes für die Klägerin und damit auch wohl für eine Vielzahl der Fälle in der Praxis ist und bleibt die Beweis-und Darlegungslast, die oftmals schwierig zu erfüllen ist. Im Kern muss festgestellt werden, dass die Beurteilung durch die Gerichte letzten Endes insbesondere auf der unzureichenden Substantiierung seitens der Klägerseite beruhte.
Gleichwohl ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln als richtig zu bewerten. Sie bleibt den anzulegenden Maßstäben treu, und berücksichtigt auch die Seite der Ärzte und ihrer Risiken hinlänglich. Eine Behauptung muss bewiesen werden.