Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 19.09.2017 – 6 W 97/17

Hintergrund

Streitig zwischen den Parteien ist, ob Werbemaßnahmen eines Telekommunikationsdienstleisters unter dem Leitspruch „das beste Netz“ (in unterschiedlichen Verwendungen) zulässig sind, insbesondere die damit verbundene Positionierung gegenüber anderen Anbietern und das Aufgreifen von geschützten Markenrechten.

Die Antragsgegnerin wurde in einem Test einer Fachzeitschrift unter unterschiedlichen überregionalen Anbietern für Telekommunikationsdienstleistungen mit der Testnote „sehr gut“ bewertet, und erhielt daraufhin durch die Zeitschrift das Siegel „[Name der Zeitschrift] Testsieger Festnetztest bundesweite Anbieter [Name des Telekommunikationsdienstleisters]“.

Infolge dieses Testergebnisses führte die Antragsgegnerin eine Werbekampagne durch, in der sie mit den Aussagen „Das beste Netz gibt’s bei [Name des Telekommunikationsdienstleisters]“, „Internet und Telefon im besten Netz gibt es schon ab 9.99“, „Bei [Name des Telekommunikationsdienstleisters] gibt’s das beste Netz“, „jetzt ins beste Netz wechseln“ warb.

Die Antragstellerin, Telekommunikationsdienstleisterin, mahnte die Antragsgegnerin erfolglos ab. Sie griff die Aussagen der Werbekampagne der Antragsgegnerin als irreführend vor dem Landgericht (LG) an. Insbesondere griff die Antragstellerin die Verwendung der geschützten Marken, zu deren Geltendmachung die Antragstellerin durch die Inhaberin (Aktiengesellschaft) ermächtigt wurde, an. Das Landgericht wies den Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 18. August 2017 zurück. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb erfolglos. Sodann wandte sich die Antragstellerin an das Oberlandesgericht (OLG). Dieses folgte dem Begehren der Antragstellerin. Die Beschwerde vor dem OLG führte zum Erlass der bereits vor dem LG beantragten einstweiligen Verfügung.

Gründe

Nach Bewertung des OLG ist ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu bejahen.

Demnach ist eine geschäftliche Handlung im Sinne der angeführten Normen irreführend, „wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält“. „Dazu gehören auch die Ergebnisse von Warentests“. Es komme auf eine Gesamtbetrachtung der Umstände an, aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise. Eine Irreführung liege demnach vor, wenn das hervorgerufene Verständnis bei den maßgeblichen Verkehrskreisen, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH, v. 05.02.2015, I ZR 136/13, GRUR 2015, S. 906 (907)). Dieses Verständnis richtet sich nach dem „Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten unverständigen Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises“ (st. Rspr. des BGH, vgl. BGH, v. 02.10.2003, I ZR 150/01, WRP 2004, S. 339 (341)). Hierbei soll ausreichend und notwendig sein, dass „die Gefahr der Irreführung bei einem erheblichen Teil des von der Werbeaussage angesprochenen Verkehrskreises“ besteht. Die Bewertung erfolgt „im Wege einer Prognoseentscheidung anhand der normativ zu bewertenden Umstände des Einzelfalls“ (BGH, v. 08.03.2012, I ZR 202/10, WRP 2012, S. 1216 (1218)). Bei einer Mehrdeutung müsse der Werbende unterschiedliche Aussagen gegen sich gelten lassen (BGH, v. 08.03.2012, GRUR 2012, S. 1053 (1054)).

Die Aussagen des Telekommunikationsdienstleisters können auf Grundlage dieser Bewertungsmaßstäbe als mehrdeutige Aussagen aufgefasst werden, so das OLG. Ferner erzeuge die Werbeaussage der Antragsgegnerin beim angesprochenen Verkehrskreis den Anschein, dass die Antragsgegnerin Inhaberin der beworbenen Netze ist. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr nutzt die Antragsgegnerin die Netze mehrerer Anbieter, insbesondere die der Antragstellerin. Die Bezugnahme auf die Antragstellerin in den Werbemaßnahmen erzeuge zudem den Eindruck, dass die Leistungen der Antragsgegnerin die der Antragstellerin übertreffen. Zudem stelle die testende Zeitschrift ausdrücklich da, dass kein Test des Netzes als solches durchgeführt worden ist. Die Zeitschrift hat in ihrem Testbericht darauf hingewiesen, dass anhand der individuell geschlossenen Verträge am Ende ein Vergleich auf Seiten des Kunden erfolgen muss, auch unter Berücksichtigung der jeweils vorhandenen technischen Geräte. Einer Erörterung der Kriterien und Aussagen des Testes ermangelte es der Werbekampagne der Antragsgegnerin.

Eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin als Lizenznehmerin in Bezug auf die Marken liegt vor. „Durch die konkrete Ausgestaltung der Werbung wird der Eindruck erweckt, das Produkt der Antragsgegnerin sei hinsichtlich einer zentralen Eigenschaft – des Netzes – dem unter den Marken der Antragstellerin vertriebenen Produkt überlegen“.

Bewertung

Die Entscheidung des OLG zeigt die erforderlichen Kriterien zur Bewertung von Werbemaßnahmen und Irreführungen im Sinne des UWG auf, und entscheidet anhand dieser durch höchstrichterliche Rechtsprechung aufgestellten und hier erörterten Maßstäbe. Das Gericht hat zielgenau herausgearbeitet, in welcher Weise die Antragsgegnerin die Anspruchsvoraussetzungen für den Unterlassungsanspruch, hier durchsetzbar im Wege der einstweiligen Verfügung, erfüllt hat.