Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2017 – XI ZR 185/16

Hintergrund

Die Klägerin begehrte die Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages. Mit der beklagten Bausparkasse schloss die Klägerin am 13. September 1978 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 40.000 DM (20.451,68€). Für das Bausparguthaben war zum einen ein Guthabenzins in Höhe von 3 % p.a. vereinbart, für ein zu gewährendes Bauspardarlehen zum anderen ein Zinssatz von 5 % p.a. Zuteilungsreife trat am 01. April 1993 ein. Ein Bauspardarlehen nahm die Klägerin in der Folgezeit nicht in Anspruch. Der Bausparvertrag wies am 01. Januar 2015 ein Bausparguthaben in Höhe von 15. 772,-€ auf. Am 12. Januar 2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des Bausparvertrages unter Berufung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 24. Juli 2015.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung des Vertrages nicht vorliegen.

Gründe

Der XI. Zivilsenat hat in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzenrechtsprechung und Literatur entschieden, dass die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar ist. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von 10 Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben soll, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen.
Ebenfalls in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzenrechtsprechung und Literatur hat der XI. Zivilsenat entschieden, dass die Voraussetzungen des Kündigungsrechts vorliegen. Denn mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife hat die Bausparkasse unter der Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrages das Darlehen des Bausparers vollständig empfangen. Der Vertragszweck besteht für den Bausparer darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen. Aufgrund dessen hat er das damit korrespondierende Zweckdarlehen mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife vollständig gewährt. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Bausparer verpflichtet sein kann, über den Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife hinaus weitere Ansparleistungen zu erbringen, weil diese Zahlungen nicht mehr der Erfüllung des Vertragszwecks dienen.
Danach sind Bausparverträge im Regelfall zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündbar. Aus diesem Grunde sind hier die von der beklagten Bausparkasse jeweils mehr als zehn Jahre nach erstmaliger Zuteilungsreife erklärten Kündigungen der Bausparverträge wirksam.

Bewertung

pfeilDem Urteil des Bundesgerichtshofes zum Kündigungsrecht einer Bausparkasse nach Ablauf von zehn Jahren ist vollumfänglich zuzustimmen.
Auf die Bausparverträge ist Darlehensrecht anzuwenden, denn während der Ansparphase eines Bausparvertrages ist die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens kommt es zu einem Rollenwechsel.
Für die Bausparkassen sind die älteren Bausparverträge eine Belastung. Viele ihrer Kunden nehmen das darin vereinbarte Darlehen nicht in Anspruch und lassen den Vertrag vielmehr als lukrative und sichere Geldanlage möglichst lange laufen. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Bausparens. Das Ansparen ist dazu gedacht, Anspruch auf ein Darlehen zu erlangen. Dieser Zweck ist mit Erlangen der Zuteilungsreife erreicht.