Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.12.2011 – 2 Sa 2015/11 und 2 Sa 2300/11

Hintergrund

Arbeitgeber dürfen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter grundsätzlich kontrollieren. Heikel wird dies jedoch bei Außendienstmitarbeitern. Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, wie sich dies am besten kontrollieren lässt. Die Wege, die diese Mitarbeiter zu den jeweiligen Kunden zurücklegen, gelten natürlich als Arbeitszeit und werden vergütet. 2015 hat der EuGH außerdem ausdrücklich festgestellt, dass auch die Zeit, die der Arbeitnehmer zu Beginn und am Ende des Tages aufwendet, Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie ist (2003/88/EG, EuGH 10.09.2015, C-266/14). Der Arbeitgeber ist zunächst auf die Aufzeichnungen seiner Mitarbeiter angewiesen. Inzwischen setzen viele zudem eine GPS-Ortung ein. Dabei muss der Arbeitgeber allerdings umsichtig vorgehen und den Außendienstmitarbeiter von der Überwachung in Kenntnis setzen. Für den Fall einer manuellen Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitnehmer sollte dieser darauf hingewiesen werden, dass die Arbeitszeitaufzeichnungen sorgfältig und präzise zu erfolgen haben. Wer hier schwindelt, begeht einen Arbeitszeitbetrug.

Wird die gebotene Sorgfalt nicht aufgebracht, kann dies folgenschwer enden, wie ein Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2011 gezeigt hat. Der Kläger in diesem Fall war seit 1997 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt und wurde als Außendienstmitarbeiter eingesetzt. Im Juli 2010 erfolgte eine Abmahnung, da der Kläger eine Pause an einer Tankstelle eingelegt hatte, ohne diese im Arbeitszeitnachweis zu dokumentieren. Danach legte der Kläger erwiesenermaßen erneut eine 30 – 60-minütige Pause an einer Tankstelle ein, die er jedoch gegenüber seiner Arbeitgeberin unerwähnt ließ. Zudem leugnete er den Vorfall, als er darauf angesprochen wurde. Die Beklagte konfrontierte den Kläger jedoch mit einer Zeugenaussage, woraufhin er die Pause einräumte. Er habe wegen Magenproblemen die Tankstellentoilette aufsuchen müssen und sich geschämt, dies zu offenbaren. Die Beklagte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis fristlos wegen Arbeitszeitbetrugs. Der Kläger erhob hier gegen Kündigungsschutzklage und hatte damit auch zunächst vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil jedoch aufgehoben.

Gründe

Der Senat hat die fristlose Kündigung von Seiten der Beklagten für wirksam erachtet. Abstrakt betrachtet ist ein Arbeitszeitbetrug geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Arbeitgeber sind darauf angewiesen, sich auf eine korrekte Dokumentation durch ihre Mitarbeiter verlassen zu können. Zeichnet ein Arbeitnehmer seine Arbeitszeit falsch auf, liegt hierin in der Regel ein schwerer Vertrauensverstoß. Eine wirksame fristlose Kündigung erfordert zudem eine Interessenabwägung. Auch diese geht jedoch zulasten des Klägers aus. Zu beachten ist insbesondere, dass er die Aufzeichnung vorsätzlich falsch vorgenommen hat. Zudem wirkt sich zu seinem Nachteil aus, dass er die Pause zunächst geleugnet und damit gelogen hat. Auch ein solches Verhalten im Nachhinein der Pflichtverletzung kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in die Interessenabwägung mit einbezogen werden. Dieser Einbeziehung des Nach-Tat-Verhaltens widerspricht auch nicht die berühmte „Emmely“- Entscheidung des BAG (Urteil vom 10.6.2010 – 2 AZR 541/09). Auch damals hatte die Klägerin mehrfach gelogen, was das BAG jedoch nicht in der Interessenabwägung berücksichtigt hatte. Der Senat hatte damals lediglich festgestellt, dass das Prozessvorbringen der Klägerin nicht auf den Kündigungsgrund zurückwirken könne. Vorliegend hat sich das Nach-Tat-Verhalten aber vor Ausspruch der Kündigung ereignet, es handelt sich also nicht um prozessuales Verteidigungsvorbringen. Solange es noch vor Ausspruch der Kündigung geschieht, kann es sich also zulasten des Arbeitnehmers auswirken.

Bewertung

Der Fall zeigt, wie wichtig die ordnungsgemäße und korrekte Erstellung von Arbeitszeitnachweisen ist. Im Fall eines Arbeitszeitbetrugs lässt sich der Arbeitnehmer letztlich Zeiten vergüten, in denen er gerade nicht gearbeitet hat. Kommt dies heraus, stellt es einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Für den Arbeitgeber bedeutet es natürlich wirtschaftliche Einbußen, wenn er durch seine Mitarbeiter hintergangen wird. Sollte eine GPS-Ortung genutzt werden, darf dies jedoch nicht heimlich geschehen. Zudem muss das GPS auch abschaltbar sein, falls dem Arbeitnehmer auch die private Nutzung des Fahrzeugs gestattet ist.