Bundesarbeitsgericht Urteil vom 31. Januar 2018 – 10 AZR 392/17 –

Hintergrund

Der Verfügungskläger geht im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die teils irrenführende und unbefugte Werbung der Verfügungsbeklagten vor.

Die Verfügungsbeklagte ist ein Unternehmen aus dem Legal-Tech-Segment, das ein neues Geschäftsmodell entwickelt hat. Dabei lässt sie sich von gekündigten Arbeitnehmern den im Fall einer Unwirksamkeit der Kündigung bestehenden Anspruch auf Zahlung einer Abfindung abtreten, übernimmt bei Erfolgsaussicht dessen Durchsetzung gegenüber dem Arbeitgeber und behält 25 % der erstrittenen Abfindung ein.

Der Verfügungskläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung selbständiger beruflicher Interessen der Anwaltschaft. Dessen Mitglieder sind insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts tätig, in dem Kündigungsschutzverfahren einen großen Raum einnehmen.

Dem Verfügungskläger zufolge biete die Verfügungsbeklagte im Internet Arbeitnehmern Rechtsdienstleistungen, wie die Prüfung und Berechnung vermeintlicher oder tatsächlicher Abfindungsansprüche, die Erstellung von Kündigungsschutzklagen sowie die Durchsetzung vermeintlicher oder tatsächlicher Abfindungsansprüche, ohne hierzu berechtigt zu sein, an, Darüber hinaus fänden sich an verschiedenen Stellen Herabsetzungen anwaltlicher Tätigkeit und Irreführungstatbestände.

Das LG hat den Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben. Das Verfahren ist zurzeit beim OLG Hamm unter dem Az.: 4 U 32/18 anhängig.

Gründe

Der Verfügungskläger habe hinsichtlich seiner Anträge einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 UWG gegen die Verfügungsbeklagte.

Maßstab der Einstufung, ob eine Werbung die Gefahr einer Irreführung begründe, sei der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe. Ein solcher könne im vorliegenden Fall durch die Werbung der Verfügungsbeklagten zumindest zu einem erheblichen Teil irregeführt werden.

Dadurch, dass Arbeitnehmer, die durch Kündigung ihren Arbeitsplatz verloren haben, veranlasst würden über einen bequemen Online-Abfindungsrechner aus der Anonymität heraus einmal durchrechnen zu lassen, mit welcher Abfindung sie rechnen dürfen, erzeuge die Werbung der Verfügungsbeklagten im Internet einen wettbewerbswidrigen Anreißeffekt. Die Eröffnung des Rechtsschutzzuganges über ein Rechenprogramm suggeriere eine gewisse Richtigkeitsgewähr, obwohl tatsächlich keine individuelle Prüfung erfolge. Diese Fehlvorstellung würde zusätzlich noch durch die Aussage, es werde durch das Online-Portal automatisch eine Kündigungsschutzklage erstellt, gestützt. Das Gerichtsverfahren würde in Wirklichkeit jedoch durch Partneranwälte geführt. Darin sei eine unklare und irreführende Werbung für die Erbringung von Rechtsleistungen zu sehen.

Der Verfügungsbeklagten würden Werbeaussagen wie „Jeder hat ein Recht auf Abfindung! Recht ohne Risiko“ oder, dass im Gegensatz zu ihrem Angebot die Rechtsverfolgung durch einen Anwalt „teuer und aufwendig und mit einem hohen Kostenrisiko, hohem Zeitaufwand und Stress verbunden” seien, untersagt.

Bewertung

Die Werbung der Verfügungsbeklagten macht für den rechtsunkundigen Laien den Eindruck, als ob die Inanspruchnahme dieses Angebots schneller und günstiger wäre. Dadurch, dass letztlich ebenfalls ein Anwalt im Rahmen des Kündigungsprozesses tätig wird, verschafft sich die Verfügungsbeklagte dadurch einen Vorteil, indem sie Gegenteiliges vorspiegelt. Dies ist im Rahmen eines fairen Wettbewerbs nicht zu billigen.