Anfragebeschluss vom 14. Juni 2017 – 10 AZR 330/16 (A)

Hintergrund

Im konkreten Fall geht es um einen Immobilienkaufmann aus Dortmund. 2013 sollte er entlassen werden, dagegen hatte er aber mit Erfolg geklagt. Daraufhin teilte ihm der Arbeitgeber Anfang 2015 mit, er werde für ein halbes Jahr von Dortmund nach Berlin versetzt. Der Immobilienkaufmann nahm seine Arbeit in Berlin nicht auf. Der Arbeitgeber mahnte ihn zweimal ab, anschließend kündigte er den Arbeitnehmer. Mit seiner nun beim 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts verhandelten Klage will der Immobilienkaufmann festgestellt wissen, dass er der Versetzungsanweisung nicht Folge leisten musste. Diese sei „unbillig“ gewesen.

Gründe

Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts war der Ansicht, dass unbillige Arbeitgeberweisungen vom Arbeitnehmer nicht mehr befolgt werden müssten und wollte dem Arbeitnehmer dementsprechend Recht geben. Allerdings sah er sich durch die Rechtsaufassung des 5. Senat daran gehindert.

Dieser hatte bisher in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts nicht hinwegsetzen dürfe. Vielmehr müsse er nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB bei Diskrepanzen die Gerichte für Arbeitssachen aufsuchen. Der Arbeitnehmer sei somit an die durch die Ausübung des Weisungsrechts erfolgte Konkretisierung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des angerufenen Gerichts für Arbeitssachen weisungsrechtlich gebunden (5 AZR 249/11).

Um davon abweichen zu können, hatte der 10. Senat bei seinen Kollegen des 5. Senats angefragt, ob sie an dieser Rechtsprechung festhalten wollen (Anfragebeschluss vom 14. Juni 2017 – 10 AZR 330/16 (A)).

In seinem nun bekanntgegebenen Antwortbeschluss vom 14. September 2017 hat der 5. Senat schlussendlich mitgeteilt, an seiner bisherigen Auffassung nicht länger festzuhalten und sich dem 10. Senat und dessen Rechtsaufassung anzuschließen. Durch den sofortigen Anschluss des 5. Senats ist eine Divergenzvorlage vor dem Großen Senat des BAG entbehrlich.

Bewertung

Der obige Fall legt dar, dass die juristischen Pingeligkeiten der Differenzierung zwischen nichtigen Weisungen einerseits – die nicht befolgt werden müssen – und lediglich unbilligen Weisungen andererseits – die vorläufig bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung befolgt werden sollen – für erhebliche arbeitsrechtliche Unsicherheiten sorgen.

Diese im Ergebnis nicht vollumfänglich zugängliche Unterscheidung verlagert ein nicht überschaubares Risiko auf den Arbeitnehmer. Es ist für ihn letztlich irrelevant, ob er sich einer nichtigen oder lediglich unbilligen Weisung ausgesetzt sieht. Befolgt er die Weisung nicht, muss er sich ohnehin gegen eine Abmahnung oder Kündigung wehren. In einem anschließenden Rechtsstreit wäre dann auch die Wirksamkeit bzw. Billigkeit der die Sanktion auslösenden Weisung zu überprüfen.

Im Ergebnis muss für die Verbindlichkeit von nichtigen und unbilligen Weisung somit das Gleiche gelten: Sie sind zunächst unverbindlich. Schließlich ist es der Arbeitgeber, der von seinem „Königsrecht“ Gebrauch macht. Ist er sich hinsichtlich der Wirksamkeit oder Billigkeit seiner Weisung unsicher, kann er gegebenenfalls eine vorsorgliche Änderungskündigung aussprechen.