Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 05.04.2017 – 3 Sa 1398/16

Hintergrund

Der 49-jährige Kläger ist technischer Angestellter und seit dem Jahr 1984 beim Beklagten als Bergwerksarbeiter angestellt. Sein Einsatz erfolgte zuletzt in der Maschinenabteilung des Bergwerks. Nach eigener Einlassung fand der Kläger während der Nachschicht am 07. Januar 2016 in der Nähe der Maschinenhalle einen ungewöhnlichen, mit einem Absperrhahn und einem Manometer versehenen Koffer. Auf diesem Koffer, aus dem auch Drähte herausragten, brachte er in weißer Farbe Schriftzüge mit Fantasiewörtern auf. Diese waren geeignet, den Eindruck islamistischer Parolen zu erwecken. In den Koffer legte er Süßwaren ein, die als Belohnung für „mutige“ Kofferöffner dienen sollte. Der Koffer wurde am 08. Januar 2016 aufgefunden. Die Arbeitgeberin erstattete Strafanzeige. Im Rahmen der unmittelbar aufgenommenen polizeilichen Ermittlungen wurde eine Sprengstoffeinheit angefordert. Bis zur Sicherung des Koffers musste das Gebäude abgesperrt und geräumt werden. Die Arbeitgeberin sieht in dem Verhalten des Klägers eine grobe Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Insbesondere habe der Kläger psychische Belastungen für die Belegschaft und eine gravierende Störung der Betriebsabläufe verursacht. Außerdem sei der Betriebsfrieden gestört worden. Das Verhalten sei geeignet gewesen, Beschäftigte mit türkischem oder arabischen Migrationshintergrund in Misskredit zu bringen.

Gründe

Die Parteien einigten sich im Verhandlungstermin auf Anraten der Kammer darauf, ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30. September 2016 zu beenden. Die außerordentliche Kündigung wäre damit aufgehoben. Eine entsprechende Abfindung erhält der Kläger nicht. Der Vergleich kann von beiden Parteien binnen einer Woche widerrufen werden. In diesem Fall wird die Kammer in Abhängigkeit vom Ergebnis ihrer geheimen Beratung die Berufungsverhandlung entweder fortsetzen oder ohne weiteren Termin ein Urteil verkünden.

Bewertung

Der Anwalt des Klägers argumentierte in der Verhandlung hauptsächlich mit der Offensichtlichkeit des Vorliegens eines ungefährlichen Spaßkoffers. Dieser habe von Vorgesetzten auch ohne weiteres als solcher erkannt werden können. Dennoch sind Polizeieinsatz und Kündigung in keinem Fall Überreaktionen. Für den Arbeitgeber lag eine unkalkulierbare Gefährdungslage vor, auf die aus Fürsorge gegenüber der Belegschaft professionell reagiert werden musste. Es wirkt einleuchtend, dass das Verhalten des Klägers – gerade in der heutigen Zeit – eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten erheblichen Ausmaßes darstellt. In einem solchen Fall muss auch ohne vorherige Abmahnung mit einer Kündigung gerechnet werden.