Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2017 – 1 ABR 47/16

Hintergrund

Die zu 2 beteiligte Arbeitgeberin (ein Herzzentrum) bietet als 100%ige Tochtergesellschaft des zu 3 beteiligten Universitätsklinikums die Diagnostik und Therapie von Herz- und Kreislauferkrankungen an. Im Herzzentrum der zu 1 Beteiligten ist ein Betriebsrat gewählt. Das Universitätsklinikum ist Konzernobergesellschaft für weitere wissenschaftliche und medizinische Tochter- und Servicegesellschaften. Bei ihm ist der zu 4 beteiligte Konzernbetriebsrat etabliert.

2015 fand eine konzernweite Mitarbeiterbefragung statt. Die P gGmbH war dazu mit der Durchführung und Auswertung beauftragt worden. Die Fragebögen wurden vom Universitätsklinikum per Post an die Mitarbeiter verschickt. Sie waren nach Beantwortung an die P gGmbH anonym zurückzusenden. Die Fragebögen waren mit folgenden Hinweisen verschickt worden: „Die Auswertung findet nur in zusammengefasster Form statt, so dass keine Rückschlüsse zu ziehen sind. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Fragebögen verbleiben bei der GmbH- Das Universitätsklinikum hat keinerlei Möglichkeit die Fragebögen zu sichten.“

Die über 100 Fragen des standardisierten Fragebogens waren in mehrere Themenkomplexe gegliedert u.a. „Ihre Arbeitsumgebung“ und „Ihre Arbeitsbedingungen“ und enthielten fast ausschließlich vorgegebene, anzukreuzende Antwortalternativen.

Auf Antrag des Betriebsrats erließ das Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung, mit der dem Herzzentrum aufgegeben wurde, das Universitätsklinikum anzuweisen, die Durchführung und Auswertung der Mitarbeiterbefragung 2015 hinsichtlich der Arbeitnehmer des Herzzentrums zu unterlassen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt habe oder seine Zustimmung nicht ersetzt sei. Die Befragung unterblieb daraufhin im Herzzentrum. Der Betriebsrat verfolgte sein Begehren in der Hauptsache weiter. Das Arbeitsgericht entsprach dem Begehren des Betriebsrats. Die dagegen gerichteten Beschwerden des Herzzentrums und Universitätsklinikums sowie des Konzernbetriebsrats wies das LAG zurück. Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde hatte vor dem BAG Erfolg.

Gründe

Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass die Durchführung und Auswertung der Mitarbeiterbefragung im Herzzentrum unterbleibt, solange seine Zustimmung nicht vorliegt oder nicht ersetzt worden ist. Die Mitarbeiterbefragung unterliegt nicht der Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats.

Der Betriebsrat verkennt, dass die von ihm verlangte Rechtsfolge, die Ausübung einer Anweisungsmacht des Herzzentrums gegenüber dem Universitätsklinikum, keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme darstellt. Zudem richtet er sein Begehren gegen den Falschen. Nicht das Herzzentrum ist Maßnahmenträger der Befragung, sondern das Universitätsklinikum. Die begehrte Rechtsfolge folgt auch nicht aus datenschutzrechtlichen Vorschriften. Ein Unterlassungsanspruch könnte sich allenfalls aus dem Persönlichkeitsrecht der von der Verwendung personenbezogener Daten betroffenen Arbeitnehmer ergeben. Dieses höchstpersönliche Recht steht aber nicht dem Betriebsrat als Gremienanspruch zu.

Dem Betriebsrat steht auch kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Mitarbeiterbefragung zu. Da die Mitarbeiterbefragung eine ausschließliche Maßnahme des Universitätsklinikums als Konzernobergesellschaft ist, unterliegt sie allenfalls, wenn eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme vorliegt, der Beteiligung des Konzernbetriebsrats.

Ungeachtet dessen unterfällt die Mitarbeiterbefragung keiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. §§ 3 und 5 ArbSchG oder nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die streitgegenständliche Maßnahme ist objektiv keine Gefährdungsbeurteilung und keine Maßnahme des Arbeitsschutzes. Die Mitarbeiterbefragung lässt wegen der Freiwilligkeit der Teilnahme und ihrer Anonymität, vor allem aber wegen ihres Konzernbezugs keine ortsgebundenen arbeitsplatz- bzw. tätigkeitsbezogenen Schlüsse über Arbeitsbedingungen im Betrieb des Herzzentrums zu. Ebenso handelt es sich bei dem verwendeten Standardfragebogen um keinen Personalfragebogen. Die Beteiligung des Betriebsrats bei solchen Maßnahmen dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers. Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts scheidet aber vorliegend aus, da die Teilnahme freiwillig ist und der Arbeitnehmer somit den Umfang seiner Auskünfte selbst bestimmen kann.

Bewertung

Eine von der Konzernleitung durchgeführte freiwillige und anonyme Befragung aller Mitarbeiter der konzernangehörigen Unternehmen auf der Grundlage eines in Papierform versandten Standardfragebogens stellt weder eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes noch ein zustimmungspflichtiger Personalfragebogen dar. Der örtliche Betriebsrat eines konzernangehörigen Unternehmens hat insoweit daher keinen Unterlassungsanspruch.