Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.9.2017 – 2 AZR 57/17

Hintergrund

Die Klägerin war seit dem Jahr 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund von paranoider Schizophrenie wurde sie 2013 stationär behandelt, war jedoch anschließend wieder arbeitsfähig. Am 6.3.2015 sprach die Klägerin schließlich gegenüber der beklagten Arbeitgeberin eine Eigenkündigung aus. Diese wurde von der Beklagten als fristgemäß bestätigt. Die Klägerin wurde bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.9.2015 unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt. Ab Mai 2015 musste sich die Klägerin erneut in stationäre Behandlung begeben. Der Zustand der Klägerin war Ende Juli soweit, dass für sie eine Betreuerin bestellt werden musste. Diese übernahm für die Klägerin unter anderem die Vermögenssorge sowie die Vertretung der Klägerin vor Behörden und Gerichten. Von der Betreuerin wurde der Beklagten mitgeteilt, dass die Klägerin bei der Aussprache der Kündigung nicht geschäftsfähig gewesen sei. Dies belegte sie mit einer ärztlichen Stellungnahme der behandelnden Klinik.

Daraufhin bat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte darum, die Eigenkündigung für gegenstandslos zu erklären. Die Klägerin erhob nunmehr Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 6.3.2015 beendet worden ist. Vor dem Arbeitsgericht hatte sie damit keinen Erfolg, das Landesarbeitsgericht gab der Klage jedoch statt. Die Beklagte legte daraufhin Revision ein, was zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LAG führte.

Gründe

Der Senat des Bundesarbeitsgerichts ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das LAG der Klage mit der angegebenen Begründung nicht stattgeben durfte. Somit steht nunmehr noch nicht fest, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung beendet worden ist.

Zunächst stellte das BAG fest, dass der Antrag als Feststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist. Die Klägerin formulierte ihr Begehren zwar punktuell bezogen auf die Kündigung vom 6.3.2015 und somit entsprechend dem § 4 S. 1 KSchG. Das Gericht vertritt hier jedoch die Ansicht, dass § 4 S. 1 i.V.m. § 7 KSchG auf eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers keine Anwendung finden. Dafür sprechen sowohl die Gesetzessystematik sowie der Telos der Normen. Denn § 4 KSchG befindet sich im ersten Abschnitt des KSchG, welcher sich nur auf arbeitgeberbezogene Kündigungen bezieht. Zudem bezieht sich die Vorschrift auf die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, und nur eine Arbeitgeberkündigung kann sozial ungerechtfertigt sein. Ferner muss der systematische Zusammenhang zu § 7 KSchG beachtet werden. Die Norm legt fest, dass die Rechtswirksamkeit von Kündigungen automatisch eintritt, wenn nicht rechtzeitig Klage erhoben wird. Bei Arbeitnehmerkündigungen würde dies jedoch zu sachwidrigen Ergebnissen führen. Zuletzt führt das Gericht aus, dass zwar auch bei einer Eigenkündigung Interesse an einer schnellen Klärung der Wirksamkeit bestehe, aber sich dadurch das Verständnis der §§ 4,7 KSchG nicht ändere. Im Ergebnis sind die Normen somit auf eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht anwendbar. Es liegt folglich ein einfacher Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO vor, welcher auch zulässig ist.

In der Begründetheit durfte das LAG nach der Ansicht des BAG keine Geschäftsunfähigkeit durch vorübergehende Störung der Geistestätigkeit der Klägerin allein aufgrund der ärztlichen Stellungnahme annehmen, da darin kein medizinischer Befund bescheinigt wurde. Es sei lediglich eine Annahme enthalten, die jedoch weiterer Aufklärung bedarf.

Bewertung

Das Bundesarbeitsgericht hat gut nachvollziehbar argumentiert, dass die Klagefrist des § 4 KSchG und die Fiktionswirkung des § 7 KSchG auf Eigenkündigungen des Arbeitnehmers keine Anwendung finden. Darüber hinaus wurde noch festgestellt, dass ebenfalls eine Analogie ausscheidet, da es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Auch dieses Ergebnis verdient Zustimmung. Es liegt somit ein Feststellungsantrag nach§ 256 Abs. 1 ZPO vor, dessen Voraussetzungen allesamt auch gegeben sind. Insgesamt wurde nun die Sache richtigerweise an das LAG zurückverwiesen, da die Angabe in der ärztlichen Stellungnahme, „man gehe fest davon aus, dass bei der Klägerin krankheitsbedingt keine Geschäftsfähigkeit vorgelegen habe“, keine genauen medizinischen Umstände angibt und mithin wohl kaum einen medizinischen Befund darstellen kann.