Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2016 – 8 AZR 53/15

Hintergrund

Die Klägerin war seit April 2001 bei dem J. e.V. beschäftigt. Zuletzt war sie als Rettungssanitäterin tätig. Der J. e.V. betreibt in dem beklagten Landkreis vier Rettungswachen und sichert damit den dortigen Rettungsdienst ab. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) Anwendung.

Der beklagte Landkreis entschloss sich Ende des Jahres 2010 dazu, den Rettungsdienst ab Juni 2011 selbst zu übernehmen. Dazu sollten auch eigene Fahrzeuge verwendet werden. Daraufhin kündigte der Landkreis folglich alle mit dem J. e.V. geschlossenen Miet- und Untermietverträge über die jeweiligen Rettungswachen. Es wurden neue, eigene Rettungsfahrzeuge bestellt und die Stellen des Rettungsdienstes neu ausgeschrieben. Auf die ausgeschriebenen Stellen folgten 70 Bewerbungen. Der Landkreis wählte die bereits zuvor beim J. e.V. beschäftigten 41 Bewerber aus, sowie 10 weitere neue Beschäftigte. Dadurch sollte die Durchführung eines veränderten Schichtmodells ermöglicht werden. Mit allen Beschäftigen schloss der Beklagte neue Arbeitsverträge zum 01.06.2011 ab, in denen eine Bezugnahme auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthalten ist.

Die Klägerin klagte nun auf Feststellung, dass der Beklagte Landkreis gemäß § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverträgen mit dem J. e.V.  eingetreten sei. Daher stünden ihr Ansprüche auf eine höhere Vergütung sowie die Leistung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der AVR zu.

Das Arbeitsgericht gab ihrer Klage statt, das Landesarbeitsgericht hat sie jedoch abgewiesen. Dagegen ging die Klägerin in die Revision, hatte jedoch keinen Erfolg.

Gründe

Das BAG hat die Klage abgewiesen, da nach der Ansicht des Senats kein Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 BGB gegeben ist. Dies hat zur Folge, dass auf das zwischen den Parteien geschlossene  Arbeitsverhältnis die Regelungen der AVR, aus denen die Klägerin ihre Ansprüche ableitete, nicht angewendet werden. Vielmehr finden die des TVöD Anwendung.

Voraussetzung für einen Betriebsübergang i.S.d. § 613a Abs. 1 BGB wäre, dass die wirtschaftliche Einheit, die der neue Rechtsträger fortführt, ihre Identität bewahrt. Maßgeblich für diese Prüfung ist laut der Ansicht des Gerichts eine Gesamtbewertung aller den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen. Dabei dürfen Teilaspekte nicht isoliert betrachtet werden.

Das LAG hat die Klage folglich mit der falschen Begründung abgelehnt. Es führte aus, allein die sächlichen Betriebsmittel, also insbesondere die Rettungsfahrzeuge, seien identitätsprägend für den Betrieb. Laut dem BAG scheidet vorliegend ein Betriebsübergang dennoch aus, da eine Gesamtbetrachtung ebenfalls ergibt, dass die wirtschaftliche Einheit „Rettungsdienst“ nach dem Inhaberwechsel  ihre Identität nicht bewahrt hatte.

Bewertung

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Es hatte eine einzelfallbezogene, wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die wirtschaftliche Einheit des Betriebes ihre Identität keinesfalls gewahrt hat. Ein Betriebsübergang einschließlich dem Eintreten in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 613a Abs.1 BGB kommt also nicht in Betracht. Mithin finden die Regelungen des AVR keine Anwendung mehr auf das Arbeitsverhältnis.